28. September, 14 Uhr 19

Welch ein Schmaus… nicht.

Da gönne ich mir diesen teuren Late-Check-Out. Aber bin im Supermarkt zu geizig, mir einfach etwas Luxuriöses zu kaufen. Brot, Käse, kalter Kaffee und Cocktailtomaten. Ich merk schon, die Prioritäten, die ich setze sind am falschen Platz wie Verlierer bei der Reise nach Jerusalem. Aber bevor ich mich wieder schlecht mache: Perspektivwechsel. Einfach an die arme, arme Alex denken.

Gepackt habe ich schon, ich muss auch gleich aus dem Hotel. Da stellt sich mir noch die Frage, wie ich zügig herausfinde, was der Stand der Dinge ist. Ich könnte eine Rundmail schreiben. Hat schon jemand etwas gehört? Ist Lars tot?

Zu auffällig, es sollten so wenig Leute wie möglich wissen, dass ich etwas ahne. Wem >>> weiterlesen

28. September, 16 Uhr 04

Das Telefon klingelte und klingelte. Mit jedem Tuten, wurde ich selbstbewusster. Es geht niemand ran, niemand zuhause. Ich war mir sicher, ich konnte gleich mit dem guten Gefühl auflegen, es versucht zu haben. Mit jedem Tuten stieg die Hoffnung und der Wunsch, dass niemand antwortet. Ich zählte herunter. Noch fünf mal dieses beruhigende Geräusch, dann kann ich auflegen. Dann habe ich lange genug läuten lassen.

Vier.

Drei.

Hallo?“

Ich bekam kein Wort heraus.

Hallo? Wer ist da?“

Ich glaube, ich muss nicht schreiben, dass es kein entspanntes Gespräch zwischen zwei alten Freunden war. Ich muss es Alex lassen, sie zeigte keine Regung. Sie ließ sich nichts anmerken. Sie tat nicht überrascht, dass ich anrief. Sie klang nicht traurig, >>> weiterlesen

28. September, 19 Uhr 20

Ich war gerade bei meiner ehemals großen Liebe. Ein Überraschungsbesuch, der überhaupt nicht gut ankam. Da war ich mal spontan, auch das passt Alex nicht.

Vom Bahnhof aus habe ich nur zwanzig Minuten bis zur Wohnung gebraucht. Ein Vorteil, dass ich den Weg schon tausendfach zurücklegt habe. Dort war die Bude am brennen. Eine aufgelöste Frau, dürfte die Mutter von Lars gewesen sein, hat die Tür geöffnet. Meine alte Bleibe sieht noch genauso aus wie vorher. Komisches Gefühl, in der vertrauten Wohnung, in der ich jahrelang gewohnt habe, ein Fremder zu sein. Ein Fremder, der weder eingeladen wurde noch dort sein sollte.

Mit entsprechend großen Augen haben mich die Darsteller von diesem Trauerspiel auch angeschaut. Alex‘ Mutter Hilda, Alex‘ Schwester >>> weiterlesen

28. September, 21 Uhr 40

Bye Bye Bremen. Ich freue mich, der Stadt den Rücken zu kehren. Ich hätte keinen besseren Zeitpunkt zur Heimfahrt erwischen können. Die Nachricht vom Ableben macht jetzt die Runde. Der Gruppenchat vom Freundeskreis, sowohl näheren als auch weiteren, unterhält mich während der Fahrt. Wenn die wüssten.

Nadine übernimmt die Leitung. Sie will Last von Alex nehmen und wird uns auf dem Laufenden halten. Nadine ist der Ansprechpartner der Freunde. Bin mal gespannt, wann sie Kunde tut, dass Alex ihre Seele nicht für Lars‘ Auferstehung verkaufen konnte – sie hat ja keine.

Was für ein Gesabbel von Nadine. Ihre Eröffnungsnachricht hat zu viel Text, also mach ich es kurz: Lars wurde tot gefunden. Ursache unklar. Nadine erwähnt nochmal, dass niemand >>> weiterlesen

29. September, 2 Uhr 44

Bis in die Nacht zu fahren hatte etwas Gutes: Als wird in Karlsruhe angekommen sind, war der Betrieb gehörig heruntergefahren. Die Belegschaft war auf Partygänger und Kriminelle der kleinen und mittleren Größenordnung geschrumpft.

Wie soll es anders sein. Kaum in Karlsruhe, ereignet sich der Zwischenfall. Da schafft man es 500 Kilometer und auf den letzten 5 kommen dann die Komplikationen. Da saß ich mir nichts, dir nichts in der S-Bahn, kam so ein Freak an und wollte mir CDs verkaufen (unter anderem von Nana!). Ich wollte doch nur einsam sein. Ich hatte nicht nur kein Interesse, ich habe auch betont abweisend reagiert. Aber der alte Hund war verbissen. Nachdem er mir die CDs nicht aufschwatzen konnte, hat er versucht, mir >>> weiterlesen

2. Oktober, 14 Uhr 16

Nachdem sich die Dinge in der letzten Zeit etwas überschlagen haben, ist bereits jetzt eine angenehme Ruhe und Gemütlichkeit eingekehrt. Ich bin wieder in meinem Karlsruher Leben angekommen. Anders and Anna back in love.

Ich habe mich richtig gefreut, Anna wieder zu sehen. Nachdem ich sie mit Geschenken eingedeckt habe, verbrachten wir in den vergangenen Tagen viel Zeit miteinander. Neben dieser Hyäne von Alex wirkt sie wie ein frommes Lamm. Ich fühle mich stark, wenn sie bei mir ist. Anna ist so zierlich und klein. Neben ihr sehe ich aus wie Obelix neben Asterix.

Die Grenzen des guten Geschmacks habe ich hinter mir gelassen. Sie hat mich gefragt, wie alles lief. Ohne eine Miene zu verziehen, meinte ich, dass ich >>> weiterlesen

3. Oktober, 19 Uhr 08

Gestern habe ich die Polizeimeldungen der vergangenen Woche durchforstet. Von Alex‘ Retter habe ich nichts gefunden, also brauch ich mir da keine Gedanken mehr zu machen. Der hatte also offiziell einen Unfall oder irgendeinen natürlichen Tod. Ich habe damit nichts zu tun, ich brauch somit kein schlechtes Gewissen haben. Der Typ ist einfach im Kreuzfeuer gestorben. Pech für ihn. Oder sie…

Spannend wurde es trotzdem. Nämlich als ich die Zeit weiter zurückdrehte. Es war eine Meldung zu finden, dass unser Freund und Helfer Zeugen für einen gewissen Vorfall an einem gewissen Tag vor meiner Reise nach Bremen sucht. Eine Zeugenbeschreibung liegt nicht vor. Sehr schön. Wenn wir davon ausgehen, dass die Meldung keine Finte ist, um den Täter leichtsinnig zu >>> weiterlesen

3. Oktober, 22 Uhr 25

Oh Junge, ich bin auf Konflikt aus. Ich glaube, ich wurde eben herausgefordert. Ich glaube, dass die Halunken dem König den Fehdehandschuh vor die Füße geworfen haben. Aber der Reihe nach.

Meinem Vorhaben ließ ich direkt Taten folgen. Ich saß also gemütlich auf einer Bank gegenüber einem Platz, von dem ich als Umschlagplatz oder zumindest Treffpunkt einer Verbrecherbande gehört habe – von einem Opa, nicht gerade heldenhaft.

Der Park ist bei mir um die Ecke. Ich bin mir sicher: Es war in den Zeiten vor der Belagerung ein netter Erholungsort. Die Betonung liegt ganz klar auf war. Wie überall in Karlsruhe entstanden bestimmt auch dort irgendwann zu viele Baustellen, um sich wohlfühlen zu können. Aufgrund der relativen Abgeschirmtheit folgten den >>> weiterlesen

4. Oktober, 8 Uhr 38

Ich fühle mich revitalisiert, voller Elan. Ob das nun an einem gesunden Tiefschlaf lag oder an der Tatsache, dass ich ein paar Entscheidungen getroffen habe, kann ich nicht sagen. Vielleicht eine Kombination von beidem. Es ist immer wieder erstaunlich, welche Arbeit das Unterbewusstsein übernimmt. Da schläft man mit bestimmten Gedanken und Sorgen ein und wacht mit einer Lösung auf. Drüber schlafen ist effektiver als jeder Richterspruch. Ich lasse keine Berufung zu.

Vorhin kam beispielsweise eine Mail von Mike: Die Beerdigung findet am Samstag in Bremen statt. Das wäre ein guter Zeitpunkt, um eine offene Rechnung zu begleichen.

Doch im Schlaf wurde ein Urteil gefällt: Ich bleib zuhause. Mein tiefstes Inneres kann sich einfach nicht überwinden, nochmal nach Bremen zu tuckern. >>> weiterlesen

6. Oktober, 16 Uhr 58

Arbeiten war in den letzten Tagen grausam. Ich habe mir deshalb einen kleinen Freund gegönnt. Da zwitschere ich mir immer wieder ein kleines Schlücken. Es hat Vorteile, wenn man alleine arbeitet. Im Großraumbüro müsste ich das heimlich machen. Hier sieht mich eh keiner. Mit ein bisschen Wärme im Bauch geht alles leichter von der Hand.

Der Chat kommt einfach nicht zur Ruhe. Die bombardieren sich gegenseitig mit Ideen: Luftballons mit Erinnerungen steigen lassen, Leichenschmaus als Picknick, Trauerminute im Stadion. Ignoriert.>>> weiterlesen