Gönnhardt: Kapitel 1

Ein festlicher Reinfall.

Und dann fing er leise an zu rieseln. Endlich! Seit Wochen sehnten sich Mädchen die Unterlage für Schneeengel und Jungen das Baumaterial für Schneemänner herbei. Auch Erwachsene träumten in den ruhigen Minuten des hektischen Tages immer öfter den Traum der weißen Weihnacht. Es fiel zwar nicht der erste Schnee des Jahres, doch da die letzten Flocken bereits im Februar geschmolzen waren, kam es den meisten Karlsruhern so vor. Hurra! Es schneit!

Es regnete bald kräftige Schneefetzen. Die Vorfreude auf Weihnachten schwappte in den Wohnungen und Häusern damit sogar auf die Grinche über. Kinder standen mit großen Augen an den Fenstern. Sie beobachteten mit ihren Eltern, wie sich die Landschaft aufhellte. Die weiße Pracht entfaltete sofort ihre magische … >>> weiterlesen

Gönnhardt: Kapitel 2

Klatsche.

Es sollte so werden, wie Gönnhardt befürchtet hatte. SVG, wie ihn Fans, Feinde und mäßig Interessierte nannten, siegte, ohne einen Satz zu verlieren. Es war die langweiligste Art von Sportereignis, es war eine Abreibung, eine wahre Klatsche. Das letzte Spiel vor der Weihnachtspause war so spannend, wie mit Babys zu diskutieren. Gönnhardt fürchtete ein schlechtes Omen, als er sich auf den Heimweg machte. Geistesabwesend streifte er durch Gassen und Wege. In seinem Selbstmitleid und dem Grauen vor den Weihnachtsfeiertagen, war ihm sogar egal, wem oder was er begegnen würde.

Der Schnee wurde unverhofft zu Regen, die weiße Pracht verwandelte sich in grauen Matsch. Mit der Nässe kam die Kälte. Gönnhardt realisierte, dass er auf schnellstem Wege nach Hause musste. … >>> weiterlesen

Gönnhardt: Kapitel 3

Hallo erstmal.

Während Gönnhardt einen letzten Blick auf sein bisheriges Leben warf, geschah in der Karlsruher Weststadt ein glücklicher Zufall, der nicht der letzte seiner Art und Weise bleiben sollte. Ein alter Mann, den man auf 69,75 Jahre schätzen würde, eilte während eines neuerlichen Schneeschauers durch die Straßen. Ihm lief die Nase. Trotzig wischte er den Schnodder mit der Handfläche weg. Ein flüchtiger Blick auf die umliegenden Häuser, er vergewisserte sich seines derzeitigen Standortes. Und hastete weiter. Pah! Noch so weit! Er wollte endlich bei seinem Sohn und der Schwiegertochter ankommen. Er motzte vor sich hin: Hätte ich bloß nicht zugesagt, dann könnte ich heute früh ins Bett!

Der Herr hatte seit seiner letzten Routenplanung ein gutes Stückchen hinter sich … >>> weiterlesen

Gönnhardt: Kapitel 4

Stein auf Zement.

Gönnhardt entdeckte den Tonassistenten, der gerade die elfte Rauchpause des Abends einlegte, bei seinem Streifzug um das Gebäude. Am Hintereingang: Während der Warterei auf neuerliche Rauchzeichen entwarf Gönnhardt seinen Plan.

Tür auf, Tür zu. Da war der Mann, da war der Fuchs gewesen.

Der Plan wurde zu Tatsachen, als der junge Mann zum ersten Zug des zwölften Glimmstängels ansetzte. Unbemerkt hatte sich Gönnhardt in das Fernsehstudio geschlichen. Gut, dass Raucher beim Anzünden ihrer Zigarette die Welt vergessen. Gönnhardt war dem Mann einfach durch die Beine geflitzt.

Im Studio selbst wurde gerade die alljährliche Weihnachtsgala von Waldsee TV aufgezeichnet. Geladen waren neben einigen Persönlichkeiten aus der Politik natürlich auch Prominente aus der hinteren Buchstabengegend. Im Aufnahmeraum war einiges … >>> weiterlesen

Gönnhardt: Kapitel 5

Hintergrundwissen.

Nutzen wir die Ruhe, um zu erfahren, wie Gönnhardt zu dem wurde, was er war. Nehmen wir es vorneweg: Der Fuchs Gönnhardt hat Sprechen gelernt. Husch-Husch, und jetzt schnell in die Zeitmaschine! Wir wollen in Gönnhardts Kindheit reisen. Keine Sorge, es ist nur ein kleiner Abstecher.

Gönnhardt war schon immer ein Einzelgänger gewesen, der sich weder der Tierwelt noch den Beschäftigungen seines Rudels richtig zugehörig fühlte. Aber halt. Füchse, Rudel? Nun mag es ungewöhnlich klingen, dass Füchse überhaupt miteinander klarkommen und darüberhinaus Wohngemeinschaften gründen. Doch wenn man sich gut versteht, rechtfertigt der Zweck die Mittel, oder?! Zurück zum jungen Gönnhardt: Als Welpe spielte er am liebsten Verstecken. Er verkroch sich dabei in das letzte Eck des Unterholzes. Dort hoffte … >>> weiterlesen

Gönnhardt: Kapitel 6

Rampenlicht.

Zurück im Fernsehstudio. Eine ältere Frau, die vor Entzückung knallrote Bäckchen bekommen hat, schrie auf: Das ist ein Weihnachtswunder!

Die Aussage hing im Raum.

Hätten die Tontechniker nicht derart gute Arbeit geleistet, das …wunder würde bestimmt jetzt noch durch Karlsruhe hallen. Stattdessen wurde das Gesagte von den schalldicht-verkleideten Wänden geschluckt. Es regte scheinbar zum Nachdenken an. Selbst nach diesem Freudenschrei war das Schweigen noch nicht gebrochen. Nicht nur der Moderator saß verdutzt da. Offene Münder und große Augen prägten die Landschaft. Die Menschen waren wie gelähmt.

Der Fuchs fragte sich, ob er sich vielleicht nur eingebildet hatte, sprechen zu können. Peinlich! Gönnhardt räusperte sich, er hüstelte verlegen.

Langsam erwachten ein paar Zuschauer aus ihrer Trance, es ging ein Raunen … >>> weiterlesen

Gönnhardt: Kapitel 7

Davon bitte nochmal.

Anne nahm die letzte Stufe mit einem Freudensprung. Mutter Majeski war zuhause abgesetzt worden, sie und Gönnhardt vor Annes Wohnungstür angekommen. Mit nervöser Vorfreude kramte sie in ihren Jackentaschen. Wo war denn nur dieser Schlüssel? Die Haustür hatte sie doch vor wenigen Sekunden erst aufgeschlossen. Wohin konnte der Schlüsselbund nun verschollen sein? Während sie inne hielt, vor dem inneren Auge Möglichkeiten durchspielte, wie sie ihren Schlüsselbund verlegt haben konnte, wurde auch Gönnhardt nachdenklich. Konnte er dieser Fremden vertrauen?

Er scannte sie von unten nach oben. Er musterte sie von den durchgelaufenen Kautschukstiefeln über die hochgekrempelte Jeans vorbei an dem ausgewaschenen Mantel bis zu den braunen Haaren, die mit grauen Strähnen durchzogen waren. Kein Rücken zum Entzücken, dachte … >>> weiterlesen

Gönnhardt: Kapitel 8

Atemnot.

Gönnhardt wachte auf. Er erlebte diesen kurzen Moment der schlaftrunkenen Verwirrtheit: Er hatte keine Ahnung, wo er war. Zum Glück kam die Erinnerung, als er das schmutzige Schuhregal von Anne, von dem zufälligerweise alle Schuhe weggeräumt waren, sah.

Er fragte die weltberühmte Frage, die jeder schon mal in einen leeren Raum gestellt hat: Hallo?

Es herrschte eine gespenstische Stille in der Wohnung, daher ließ eine Antwort auf sich warten. Die Erklärung war einfach: Es war, abgesehen von Gönnhardt, schlicht eine leere Bude. Er wäre gerne mit einer vollen Schüssel Milch und einer Streicheleinheit in den Tag gestartet. Aber da war niemand, der auch nur einen der beiden Wünsche erfüllen konnte. Die Gastgeberin war außer Haus. Das wusste Gönnhardt zu … >>> weiterlesen

Gönnhardt: Kapitel 9

Ich schmelze.

Zwei Augen wurden aufgerissen. Panische Blicke wanderten von einer Wand zur nächsten. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass der Ort, an dem er aufgewacht ist, nicht die Ursache seiner Nervosität war, stellte der Fuchs auch schon fest, was nicht stimmte.

Gönnhardt war aus seinem Fresskoma erwacht und hat Hitzewallungen bekommen. Er erinnerte sich noch an das Geräusch, das vor einer gefühlten Ewigkeit erklang. Das Rasseln im Schlüsselloch bedeutete, dass er in dieser 63 Quadratmeter Sauna gefangen war.

Er konnte nicht untätig liegen bleiben und abwarten, bis er vollends geschmolzen war. So strich er mal wieder durch die Wohnung. Da er mittlerweile jeden Winkel kannte, war auch der Übeltäter schnell ausgemacht: Durch die Heizung rauschte nukleare Wärme. Kein Wunder, … >>> weiterlesen

Gönnhardt: Kapitel 10

Verbrecher.

Anne hätte beinahe ihr schlafendes Kind fallenlassen, als sie ihr Wohnzimmer betrat. Gönnhardt war weg. Geflohen? Nein, das kam ihr nach all ihren Wohltaten nicht in den Sinn. Sie vermutete das Schlimmste: Diebe mussten Gönnhardt entführt oder Entführer ihn gestohlen haben. Es wäre der gleiche Unterschied.

Die Wohnung war zum Eiszapfen geworden. Der Grund? Die Balkontür stand offen. Nicht sperrangelweit, aber spaltbreit.

Anne ärgerte sich über ihre Naivität. Sie dachte immer, dass der Balkon im zweiten Stock und über einer belebten Straße als Einbruchschutz genügen würde. Das dünne Bäumchen, an dem sie jeden Monat neue Meisenknödel anbrachte, kam ihr besonders in den kahlen Wintermonaten zu schmächtig für eine Räuberleiter vor. Und sowieso: Wachsame Augen neugieriger Nachbarn sollten doch die … >>> weiterlesen