Gönnhardt: Kapitel 6

Rampenlicht.

Zurück im Fernsehstudio. Eine ältere Frau, die vor Entzückung knallrote Bäckchen bekommen hat, schrie auf: Das ist ein Weihnachtswunder!

Die Aussage hing im Raum.

Hätten die Tontechniker nicht derart gute Arbeit geleistet, das …wunder würde bestimmt jetzt noch durch Karlsruhe hallen. Stattdessen wurde das Gesagte von den schalldicht-verkleideten Wänden geschluckt. Es regte scheinbar zum Nachdenken an. Selbst nach diesem Freudenschrei war das Schweigen noch nicht gebrochen. Nicht nur der Moderator saß verdutzt da. Offene Münder und große Augen prägten die Landschaft. Die Menschen waren wie gelähmt.

Der Fuchs fragte sich, ob er sich vielleicht nur eingebildet hatte, sprechen zu können. Peinlich! Gönnhardt räusperte sich, er hüstelte verlegen.

Langsam erwachten ein paar Zuschauer aus ihrer Trance, es ging ein Raunen durch das Publikum. Anne flüsterte der älteren Dame mit dem Weihnachtswunder, die ihre Mutter war, zu: Göttliche Fügung! Anne war eigentlich Atheistin, aber bei all der Freude kann einem das G-Wort ja mal rausrutschen. Anne schwebte im siebten Himmel, sie hätte den heiligen Geist knutschen können. Für einen kurzen Moment vergaß sie, wo sie sich befand. Anne hatte nur noch Augen für den Fuchs mit dem Hut, der gerade gesprochen hatte und offensichtlich nicht zum Programm gehörte. Es sei hier erwähnt, dass Anne eine Aktivistin der Tierschutzcrew Karlsruh‘ war. Während Annes bisherige Aktivitäten eher theoretischer Natur waren, war dies ihre Chance. Sie konnte einen bleibenden Eindruck hinterlassen, endlich die Welt verändern!

Gönnhardt wurde unsicher. Es knallten keine Korken, es fielen weder Glitterfetzen noch Luftballons von der Decke. Das hatte er sich anders vorgestellt. Er blickte auf eine Menschenmenge, die einfach nur da saß. Er befand sich vor einer Horde Zweibeiner, die weder hüpfte noch klatschte, sondern sich gegenseitig Unverständliches zumurmelte. Gönnhardt versuchte zu lächeln, doch seine Lippen zitterten zu sehr. Wahrscheinlich planen sie gerade, was sie aus meinem Fell nähen, dachte er. Bloß keine Unterhosen! Er verfluchte seine Entscheidung. Bertram hatte recht gehabt, er war schon immer der schlauere Fuchs gewesen.

Dann sah Gönnhardt eine Frau aufstehen, die man wohl am einfachsten als Ökotante beschreiben könnte. Die Frau sah harmlos aus und lächelte. Gönnhardt entschloss sich, noch ein paar Sekunden mit seinem Rückzug zu warten.

Und so stand Anne da.

Und blieb stehen wie angewurzelt.

Ihre arme, alte Mutter überlegte kurz, ob sie ihre Tochter unterstützen sollte. Sie erkannte, dass Anne gerade einen Anfall von Bühnenpanik bekam. Ihre Tochter brauchte Hilfe. Anne war nur ihr zuliebe mit zu der Aufzeichnung gekommen. Ihr Ehemann hatte sich geweigert, dieses elende Schmierentheater auch in diesem jenen Jahr zu unterstützen. Berta Majeski blieb aber sitzen. Was der Beginn einer tosenden, stehenden Ovation für mutige Mutter und taffe Tochter hätte werden können, wurde durch Rücken verhindert. Frau Majeski hatte sich auf ihrem Klappstuhl nämlich kurz zuvor in eine schmerzfreie Stellung gebracht. Sie wollte nichts riskieren. Soll ihr Kind mal machen, dachte sie, sie wurde schließlich gut erzogen.

Anne stach aus der Masse heraus. Immer mehr flüchtige Blicke wechselten von Gönnhardt zu ihr – und wieder zurück.

Ein junger Mann flüsterte: Die Schrulle da hat den eingeschmuggelt.

Seine Begleitung erwiderte: Das ist bestimmt die Trainerin von dem Vieh. Die spinnt wohl, der hat ja nicht mal nen Maulkorb. Wenn ich Tollwut kriege, raste ich aus.

Das Gespräch war leise, aber nicht leise genug. Anne entschied sich dagegen, mit rotem Kopf aus dem Studio zu rennen, um die nächsten Stunden im Auto auf ihre Mutter zu warten. Sie nahm sich vor, es denen zu zeigen, diesen Rückwärtsgewandten, diesen Hinterwäldlern. Das war ihr Moment, sagte sich Anne. Und dann verbesserte sich Anne im Gehen: Äh, dem Fuchs sein Moment.

Annes großer Auftritt war verglichen mit Gönnhardts natürlich klein, doch auch sie musste ihren Mut zusammenkratzen. Der folgende Gang durch die Zuschauerreihen besiegelte ihr Schicksal. Sie machte sich selbst zu einem wichtigen Teil unserer Geschichte. Denn sie ging doch tatsächlich auf die Bühne. Dort lehnte sie sich an den Plastikturm, und streichelte Gönnhardts Rücken. Kein schlechter Anfang, dachte dieser dabei.

Anne fragte den Fuchs: Kannst du wirklich sprechen?

Gönnhardt schaute sie ernst an und nickte. Dann bemerkte er, dass das wenig hilfreich war. Er überlegte. Bruchstücke seiner einstudierten Sätze fielen ihm wieder ein. Während manch ein Zuschauer einsah, sich nicht verhört zu haben, setzte Gönnhardt zu einer Rede an, die vielleicht nie legendär werden wird, aber zumindest Kultstatus erreichen sollte: Ja. Also. Ich bin der Gönnhardt. Hallo nochmal. Ich bin ein Fuchs und habe sprechen gelernt. Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben. Ich bin zahm und friedlich. Ich würde gerne mit den Menschen leben und suche ein Zuhause.

Den Teil, den er noch auswendig konnte, sparte er sich bis zum Ende auf. Das passte auch gut, es war der krönende Abschluss, um Mitleid zu erhaschen: Karlsruhe zog mich magisch an. Ihr Stadtgebiet liegt auf dem Fuchsbau meiner Vorfahren. So lernte ich sprechen, um endlich wieder mit meiner Familie verbunden zu sein. Und sei es nur im Geiste. Bitte helfen sie mir. Im Fernsehen hat Gönnhardt natürlich niemand beigebracht, dass man nicht lügen darf. Wegen unmoralisch und so. Gut für Gönnhardt, die letzten Sätze sollten nämlich für ordentlich Unterstützung sorgen.

Obwohl nur der kleinste Teil der Rede an Anne gerichtet war, fühlte sie sich angesprochen. Annes Kinnlade war nach unten ausgefahren. Nachdem Gönnhardt ausgesprochen hatte, klappte sie den Mund wieder zu. Geschlossen blieb er nicht für lange. Anne: Da müssen wir was tun. Du kommst erstmal mit zu mir. Dann sah sie ins Publikum, winkte lieblos, und deutete in die falsche Himmelsrichtung: Muddi, wir treffen uns beim Wagen.

Der Moderator, der zwischenzeitlich hinter die Bühne geflüchtet war, stolzierte mit einem aufgesetzten Grinsen zurück, als Anne und Gönnhardt die Bühne verlassen hatten. Man muss ihm zu Gute halten, dass er das Zepter wieder an sich riss und die Show souverän ohne Anne Majeski, ohne Berta Majeski, ohne Gönnhardt, aber mit einem aufmerksamen Rest-Publikum zu Ende brachte.

Die letzten Worte, die Gönnhardt aus dem Fernsehstudio hörte: Die Regie teilte mir gerade mit, das ist keine versteckte Kamera. Der Fuchs kann wirklich sprechen. Wow! Was für ein Event. So etwas gibt es nur bei der ultimativen Waldsee TV Weihnachtsgala, präsentiert von Baumeister Turmberg. Jetzt kommt ein Gast, der …

Als Gönnhardt gegangen war, überboten sich die anwesenden Politiker und Schirmherren mit Zusagen und Versprechen, um möglichst gute Publicity aus diesem Ereignis zu schlagen. Es wurde über Maßnahmen, Stiftungen und Ähnliches dampfgeplaudert. Typisch Fernsehen, es war größtenteils heiße Luft.

***

Dieses Kapitel ist ein Teil des Buches Gönnhardt: Füchse, Kriege, Flüchtlingskrise. Ich hoffe, dass dir die Kostprobe gefallen hat. Ich denke allerdings, dass es mehr Spaß macht, wenn man das Buch als Komplettpaket liest. Was dich trennt? Die Bestellung. Keine Sorge: Falls du das Buch kaufen möchtest, musst du nicht viel Geld ausgeben.

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