28. September, 14 Uhr 19

Welch ein Schmaus… nicht.

Da gönne ich mir diesen teuren Late-Check-Out. Aber bin im Supermarkt zu geizig, mir einfach etwas Luxuriöses zu kaufen. Brot, Käse, kalter Kaffee und Cocktailtomaten. Ich merk schon, die Prioritäten, die ich setze sind am falschen Platz wie Verlierer bei der Reise nach Jerusalem. Aber bevor ich mich wieder schlecht mache: Perspektivwechsel. Einfach an die arme, arme Alex denken.

Gepackt habe ich schon, ich muss auch gleich aus dem Hotel. Da stellt sich mir noch die Frage, wie ich zügig herausfinde, was der Stand der Dinge ist. Ich könnte eine Rundmail schreiben. Hat schon jemand etwas gehört? Ist Lars tot?

Zu auffällig, es sollten so wenig Leute wie möglich wissen, dass ich etwas ahne. Wem würde sich unsere Witwe wohl anvertrauen? Also wem, bei dem ich mich einfach so melden kann? Sie wird nach dem Schock wohl zuerst die Angehörigen und dann ihre eigene Familie (oder umgekehrt) informieren.

Die Nummer von ihrer Mutter habe ich nicht gelöscht. Ich könnte mich bei ihr melden. Hier ein Lebenszeichen. Hey, wie geht’s denn? Sie ist ja so was von wissbegierig, da müsste ich wahrscheinlich noch bei ihr vorbeikommen. Weil sie eine Tratschtante ist, wüsste ich aber spätestens nach dem Besuch, was Sache ist.

Aber Zeit…

Der Busfahrer wird für meinen Informationsdurst eher kein Verständnis haben und pünktlich abfahren. Negativ > positiv. Dazu eine ältere Dame zu trösten, die im besten Fall ihren zukünftigen Schwiegersohn verloren hat, klingt nach einem aufreibenden Nachmittag. Entweder müsste ich mir die Schulter nassheulen lassen oder ich wäre dort ganz umsonst aufgetaucht.

Und Nerven…

Da gehe ich am besten direkt an die Quelle. Ein guter Grund, um Alex anzurufen, fällt mir beim besten Willen nicht ein.

Nach 5 Minuten Grübeln, bin ich nur auf einen Vorwand gekommen: Die Paarreise nach Karlsruhe, die wir nach dem dritten Schnaps ausgemacht hatten. Die Festnetznummer von denen habe ich dank der herzlichen Versöhnung auch. Ich stell mich einfach doof, greif dieses Thema nochmal auf. Gaukel ihr vor, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich Anna fragen soll. Es ist sicher nicht die Art von Anruf, die man von mir erwarten würde, aber die Ungewissheit macht mich verrückt. Ich will Bremen als abgeschlossenes Kapitel verlassen.

Ich habe vor dem Anruf mehr Respekt, als ich gestern vor dem Halstuch hatte. Mir bleibt nichts anderes übrig. Die Zeit drängt, ich will den Anruf hinter mir haben. lieber hier im Hotel, als wenn ich auf der Straße stehe. Hoffentlich bekomme ich genug zusammenhängende Sätze heraus. Falls Alex jetzt rangeht, ich meine Lügengeschichte hervorstottere, Lars jedoch überlebt hat und die beiden zusagen, bin ich echt gelackmeiert. Falls Lars abnimmt… improvisiere ich.