14. September, 22 Uhr 29

Langsam muss ich hier schreiben, um Druck abzubauen, nicht um mir die Zeit bei der Arbeit zu vertreiben. Der restliche Arbeitstag war wie gewohnt. Es kam die gewohnte Mischung ans Kiosk. Ein paar Graue, ein paar Bunte. Viele bekannte Gesichter, ebenso viele Unbekannte.

Zuhause habe ich endlich mal geputzt. Voll positiver Energie habe ich dann gegen Mittag noch bei meinen Eltern angerufen. Die Unterhaltung mit Mama war anfangs unterkühlt. Mit steigender Verbindungsdauer kam die mollige Wärme zurück. Bei mir wäre alles im Reinen, und sonst noch ein wenig erzählt. Während des Gesprächs habe ich mich gefragt, ob Mutter oder Vater ähnlich gepolt sind wie ich. Womöglich liegen im Keller meines Elternhauses Leichen. Wobei… dort habe ich ja lange genug gewohnt, >>> weiterlesen

15. September, 10 Uhr 47

Anna ist echt zu hart. Es kam keine Entschuldigung, sie setzt sogar noch einen drauf.

Treffe mich später mit Mira, Jenny und Sabrina. Möchten ein paar Cocktails trinken. Kommst du mit? Würde mich freuen. Die wollen dich so gern kennenlernen. Keine Sorge, ihre Freunde kommen auch mit.

Als die Mail von ihr kam, dachte ich, dass nun die große Reue kommt. Knapp daneben…

Das Schema ihrer Bitten ist immer ähnlich. Bei Sachen auf die ich wahrscheinlich keine Lust habe: Immer erst die Frage. Dann mit den folgenden Aussagen sowohl Druck als auch Einsatz erhöhen. Nach der Peitsche das vermeintliche Zuckerbrot. Als ob es die Sache besser macht, wenn da noch die Männer der Unbekannten dabei sind. Anna pokert gut, aber >>> weiterlesen

15. September, 19 Uhr 43

Nachdem ich vorsichtshalber noch ein paar Extrarunden durch den anliegenden Wald gedreht habe, bin ich wieder zuhause. Anna müsste sich mittlerweile den ersten Cocktail hinter die Binde gekippt haben. Wahrscheinlich steigert sie sich gerade rein, wie unverschämt ich denn bin, wenn ich irgendwo etwas trinke. Und dann hat er die Bedienung nicht mal angeguckt, als er ihr das nächste Bier aus den Händen gerissen hat. Sie hat mich, als ich gerade bei Ulli aufbrechen wollte, gefragt, ob ich nachkommen will. Ich habe sie nicht mal angelogen, als ich meinte, dass ich noch länger unterwegs bin. Dass ich danach noch Zeit geschunden habe wie der Torhüter der führenden Mannschaft beim Abstoß, muss ja niemand erfahren.

Ich wollte nichts riskieren. Mir war >>> weiterlesen

17. September, 17 Uhr 29

Ich glaube, dass Ulli ins Schwarze getroffen hat. Zumindest mit Anna. Ich öffne mich ihr nicht und sie scheint es zu merken. Sie will zu schnell zu viel Beziehung. Ich mein, ich muss doch auch Rücksicht auf mich nehmen. Ich habe mich neuentdeckt. Ich bin ein unsterblicher Dämon, da kann ich mich doch nicht jeden Abend mit ihr treffen, um zu kochen. Mir steht die Welt offen. Vielleicht kann ich ein Auftragskiller werden oder ein Superheld. Da kann ich doch nicht mit jedes Wochenende mit ihrer Familie Kaffee nippen und Kuchen picken und unter der Woche mit ihren Freundinnen Cocktails schlürfen und Pizza kauen. Gestern lag sie mir wieder in den Ohren, dass ich ihren Clan kennenlernen soll. Ich war >>> weiterlesen

19. September, 17 Uhr 41

Meine Reiseplanung nimmt langsam Formen an. Der zeitliche Rahmen steht, wobei mein Spielraum ja nicht sonderlich groß war. Das war wie beim Schiffe versenken, wenn man einen Treffer hat. Der Geburtstag ihrer Mutter war der Treffer, dass mein nächster Zug links oder rechts im Kalender sein musste, klar.

Maas reagierte auch locker, normalerweise ist das nicht gern gesehen, er will gerne Monate in die Zukunft planen. Doch: Nach dem Schock durch Spürhunde und Spezialeinheit konnte ich problemlos ein paar freie Tage rausschlagen. Ich hab im Vergleich mit der übrigen Belegschaft nämlich äußert entspannt reagiert. Maas: „Das hammse sich verdient, Anders!“ Und mir dabei mit der Popelhand auf den Oberarm geklopft. Die eine Tante, die die Spätschicht macht, hat nach der >>> weiterlesen

21. September, 11 Uhr 16

Bremen ich komme. Je näher die Reise rückt, je konkreter die Pläne werden, desto stärker sinkt die Lust. Nachdem ich mich bei meinen Eltern und meiner Oma, bei Lars und Mike angekündigt habe, gibt es kein Zurück mehr. Für einen Absprung in letzter Minute bin ich sowieso zu geizig.

Obwohl ich, wo es ging, die sparsamste Variante gewählt habe, kommt bei den veranschlagten Ausgaben Zug um Zug ein ganz schönes Sümmchen zusammen. Es läppert sich, wie man hier zu sagen pflegt. Bus ist günstiger als Bahn, daher wurde der gebucht. Es sind dennoch knappe 50 Euro für die Fahrt. Die Übernachtung ist auch reserviert. Meine Mutter hat mir natürlich den Keller angeboten. Mehrere Tage bei meinen Eltern würde ich nicht >>> weiterlesen

22. September, 18 Uhr 02

Der Abschied von Anna war richtig schön. Wir waren Cocktails schlürfen, die Stimmung war locker. Wir waren beide endlich mal wieder tiefenentspannt. Die Gewissheit, dass wir uns einige Tage nicht sehen werden, hat die Zweisamkeit verstärkt. Ich hab ihr eine Kette als Abschiedsgeschenk überreicht, damit sie mich nicht vergisst und was Mann so alles sagt, wenn es romantisch werden soll. Die Kette kam gut an, sie hat sich gefreut und mich abgeknutscht.

Auf dem Rückweg sind wir ein wenig durch den Stadtgarten spaziert und waren eines dieser nervigen Paare, die allen vor den Füßen rumlatschen. Von den geschätzten 87 Fotos, die wir von uns geschossen haben, sollte zumindest eines gut sein. Wahrscheinlich das, wo der Winkel so schief ist, dass >>> weiterlesen

22. September, 22 Uhr 28

Ich bin gerade schweissgebadet die Türe rein. Was zum Teufel habe ich mir nur gedacht? Was ist denn nur mit mir los? Ich kann mir nicht mehr trauen. Ich habe mich verändert, ich bin unberechenbar geworden. Für mich.

Nachdem ich mich von Anna verabschiedet habe, bin ich noch schnell in die Innenstadt gefahren. Dort habe ich meine Stullen, meinen Käse, Wasserflaschen für die Fahrt sowie Wein, Pralinen und Schokolade für Oma und Mama gekauft.

Mit halbvollem Rucksack wollte ich mir noch ein paar Kilometer die Beine vertreten, da ich morgen fast 9 Stunden im Bus hocken muss. Das Gepäck quasi als Gewichte, war das Work-out nicht von schlechten Eltern.

Der Heimweg hat mich die Kaiserstraße herauf geführt, dabei ging es >>> weiterlesen

23. September, 15 Uhr 16

Jetzt sitze ich erst seit 5 Minuten im Bus, wir haben Karlsruhe nicht mal verlassen. Ich bin noch innerhalb der Stadtgrenze und trotzdem fühle ich mich frei. Je weiter ich von zu Hause weg bin, desto tiefer in die ferne Vergangenheit schiebt sich der Vorfall von gestern. Falls mich jemand gesehen hat, wird er mich in den nächsten Tagen vergessen haben. Zu durchschnittlich ist mein Erscheinungsbild, zu düster war der Abend. Ich kann wie ein Gallier leben. Die einzige Sorge, die ich haben muss: Dass mir der Himmel auf den Kopf fällt. Ich könnte mir ein Gläschen Sekt zur Feier gönnen, aber ich bin auch ohne Zaubertrank unschlagbar. Die Polizei wird ebenfalls im Dunkeln tappen, ich habe mit dem Typen >>> weiterlesen

24. September, 0 Uhr 09

Ich habe es überlebt, die Fahrt ist überstanden. Endlich! Nach gefühlten 12 Stunden im Sitz war das Antlitz vom Bremer Hauptbahnhof wie das Licht am Ende des Tunnels.

Ich wurde erwartet, zum Glück keine weitere Wartezeit. Meine Eltern standen beide mit großen Augen vor dem Bus. Vater kam an, hat sich sofort meine Tasche gepackt, Mutter ist mir um den Hals gefallen. Sie meinten, sie hätte es Oma ausreden müssen, mitzukommen.

Die Autofahrt war ziemlich hektisch. Mama im Minutentakt:
„Wie war die Fahrt?“
„Du hast aber abgenommen.“
„Schön, dass du da bist.“
Im Elternhaus angekommen waren wir aber alle von der Uhrzeit gezeichnet. Nach einem Spätimbiss bekam Mama einen zweiten Wind.

Bevor ich mich endlich hinlegen konnte, ging die Fragerunde >>> weiterlesen