Anna ist echt zu hart. Es kam keine Entschuldigung, sie setzt sogar noch einen drauf.
Treffe mich später mit Mira, Jenny und Sabrina. Möchten ein paar Cocktails trinken. Kommst du mit? Würde mich freuen. Die wollen dich so gern kennenlernen. Keine Sorge, ihre Freunde kommen auch mit.
Als die Mail von ihr kam, dachte ich, dass nun die große Reue kommt. Knapp daneben…
Das Schema ihrer Bitten ist immer ähnlich. Bei Sachen auf die ich wahrscheinlich keine Lust habe: Immer erst die Frage. Dann mit den folgenden Aussagen sowohl Druck als auch Einsatz erhöhen. Nach der Peitsche das vermeintliche Zuckerbrot. Als ob es die Sache besser macht, wenn da noch die Männer der Unbekannten dabei sind. Anna pokert gut, aber ich durchschaue sie.
Als ich diese Nachricht gelesen hab, befürchtete ich, dass mein Tag ruiniert ist. So einfach absagen könnte ich nicht. Es ist nicht immer von Vorteil, den ganzen Nachmittag und Abend frei zu haben. Ich habe mich dort schon sitzen sehen, wollte mir ein paar dümmliche Fragen für den unvermeidlichen Smalltalk überlegen. Traurig auf das leere Bierglas schielend. Da ich einen guten Eindruck machen müsste, würde ich nicht schon wieder ein volles bestellen können. Meine Hobbys sind Lesen und Zeichnen. Und was machst du so? Hast du Haustiere?
Mein Retter in der Not kam mit einer Tüte kleingeschnibbeltem Brot, ohne Kruste versteht sich.
Bevor ich mich einer Meute von Annas Bekannten, die ich gar nicht kennen will, stelle, bleibe ich lieber beim Vertrauten. Ulli hat mich heute weder spontan und noch aus aus Eigeninitiative eingeladen. Aber nach ein paar guten Worten, hat er endlich verstanden, dass ich heute etwas unternehmen wollte. Stammtisch ist zum Glück keiner (das wäre ja noch schlimmer gewesen), also hat er mich kurzerhand zu sich nach Hause eingeladen. Rettung in größter Gefahrenlage!
Ich kann die Genugtuung, mit der ich Anna absagen durfte, gar nicht beschreiben: Schade, voll schade. Hätte ich das früher gewusst. Kann nicht, muss heute zu Ulli, dem hab ich schon zugesagt. Wünsch dir einen tollen Abend, amüsier dich schön.
Da ich immer noch beleidigt bin, hoffe ich, dass sie schön schmollt. So läuft es nicht, Anna. Ich bin kein Hofnarr.
Ich bin ein König.