27. September, 21 Uhr 12

Hmm, nachdem ich die ganze Sache hab Revue passieren lassen, habe ich einen ganz schönen Kloß im Hals. Nun ja… Der lässt sich runterspülen.

Lars war also im Speicher. Der anschließende Heimweg war anstrengend. Meine Herausforderung: Bloß niemanden berühren! Ich habe mir schnell den effektivsten Weg überlegt: Wo tummeln sich um diese Uhrzeit die wenigsten Passanten? Wie komme ich zügig ins Hotel?

Es sollte der Weg über den Osten werden – ein Hürdenlauf! Ich bin den Leuten aus dem Weg gegangen, als würden wir Fangen spielen. Mit den Händen in den Hosentaschen und aufmerksamen Augen ist es mir gelungen, um die einzelnen Menschen Slalom zu laufen.

Ich war richtig froh, als ich endlich mein Hotel ohne Zwischenfälle erreicht hatte. Aufgrund >>> weiterlesen

27. September, 22 Uhr 44

Ich bin so ein Trottel. Das ist der Dämpfer schlechthin. Mir fällt erst jetzt auf, wie unklug es wäre, Lars auf die bewährten Weisen zu eliminieren. Für einen Schock fehlt die Wanne, das geht nicht mal. Und Blutspuren in der Dusche zu hinterlassen ist zu waghalsig. Die Flecken müsste ich morgen schrubben, sollte mir das misslingen, öffnet sich mir im besten Fall nur eine Welt von Fragen. Ich wünschte, ich hätte mir Schlaftabletten besorgt.

Ich bin wirklich ein Idiot. Es muss ein Dahinscheiden sein, das keine Spuren hinterlässt. Jetzt muss ich mich an der Türklinke erhängen wie die Freundin von Mick Jagger. Das ist wahrlich kein angenehmer Abgang. Da war ich so fixiert auf den Händedruck und den guten Eindruck. >>> weiterlesen

28. September, 11 Uhr 09

Ich riss die Augen auf. Fragte mich, wo zur Hölle ich gerade bin. Wach? Ja, aber es war noch niemand zuhause. Es war eine Wiederholung, jetzt hörte ich nochmal, was mich geweckt hat: drei dumpfe Schläge.

Das Geräusch hat mich nicht nur erschreckt, es hat einen Schutzinstinkt angesprochen, wie ihn schon Höhlenmenschen kannten mussten. Dieses Gefühl, das vom Kopf runter zu den Füßen zuckt. Statt einem lauten Brüllen vor der Höhle war es ein aggressives Klopfen. Statt von einem Sabelzähntiger gefressen zu werden, musste ich befürchten, dass mich die Leute hinter der Tür entdecken.

Ich war angekommen. Ich befand mich nicht zuhause, ich war im Hotel. Es erfolgte ein blitzschnelles Umschalten von Hää-wo-bin-ich zu Hoffentlich-werde-ich-jetzt-nicht-erwischt. Ich sprang auf, stellte mich >>> weiterlesen

28. September, 14 Uhr 19

Welch ein Schmaus… nicht.

Da gönne ich mir diesen teuren Late-Check-Out. Aber bin im Supermarkt zu geizig, mir einfach etwas Luxuriöses zu kaufen. Brot, Käse, kalter Kaffee und Cocktailtomaten. Ich merk schon, die Prioritäten, die ich setze sind am falschen Platz wie Verlierer bei der Reise nach Jerusalem. Aber bevor ich mich wieder schlecht mache: Perspektivwechsel. Einfach an die arme, arme Alex denken.

Gepackt habe ich schon, ich muss auch gleich aus dem Hotel. Da stellt sich mir noch die Frage, wie ich zügig herausfinde, was der Stand der Dinge ist. Ich könnte eine Rundmail schreiben. Hat schon jemand etwas gehört? Ist Lars tot?

Zu auffällig, es sollten so wenig Leute wie möglich wissen, dass ich etwas ahne. Wem >>> weiterlesen

28. September, 16 Uhr 04

Das Telefon klingelte und klingelte. Mit jedem Tuten, wurde ich selbstbewusster. Es geht niemand ran, niemand zuhause. Ich war mir sicher, ich konnte gleich mit dem guten Gefühl auflegen, es versucht zu haben. Mit jedem Tuten stieg die Hoffnung und der Wunsch, dass niemand antwortet. Ich zählte herunter. Noch fünf mal dieses beruhigende Geräusch, dann kann ich auflegen. Dann habe ich lange genug läuten lassen.

Vier.

Drei.

Hallo?“

Ich bekam kein Wort heraus.

Hallo? Wer ist da?“

Ich glaube, ich muss nicht schreiben, dass es kein entspanntes Gespräch zwischen zwei alten Freunden war. Ich muss es Alex lassen, sie zeigte keine Regung. Sie ließ sich nichts anmerken. Sie tat nicht überrascht, dass ich anrief. Sie klang nicht traurig, >>> weiterlesen

28. September, 19 Uhr 20

Ich war gerade bei meiner ehemals großen Liebe. Ein Überraschungsbesuch, der überhaupt nicht gut ankam. Da war ich mal spontan, auch das passt Alex nicht.

Vom Bahnhof aus habe ich nur zwanzig Minuten bis zur Wohnung gebraucht. Ein Vorteil, dass ich den Weg schon tausendfach zurücklegt habe. Dort war die Bude am brennen. Eine aufgelöste Frau, dürfte die Mutter von Lars gewesen sein, hat die Tür geöffnet. Meine alte Bleibe sieht noch genauso aus wie vorher. Komisches Gefühl, in der vertrauten Wohnung, in der ich jahrelang gewohnt habe, ein Fremder zu sein. Ein Fremder, der weder eingeladen wurde noch dort sein sollte.

Mit entsprechend großen Augen haben mich die Darsteller von diesem Trauerspiel auch angeschaut. Alex‘ Mutter Hilda, Alex‘ Schwester >>> weiterlesen

28. September, 21 Uhr 40

Bye Bye Bremen. Ich freue mich, der Stadt den Rücken zu kehren. Ich hätte keinen besseren Zeitpunkt zur Heimfahrt erwischen können. Die Nachricht vom Ableben macht jetzt die Runde. Der Gruppenchat vom Freundeskreis, sowohl näheren als auch weiteren, unterhält mich während der Fahrt. Wenn die wüssten.

Nadine übernimmt die Leitung. Sie will Last von Alex nehmen und wird uns auf dem Laufenden halten. Nadine ist der Ansprechpartner der Freunde. Bin mal gespannt, wann sie Kunde tut, dass Alex ihre Seele nicht für Lars‘ Auferstehung verkaufen konnte – sie hat ja keine.

Was für ein Gesabbel von Nadine. Ihre Eröffnungsnachricht hat zu viel Text, also mach ich es kurz: Lars wurde tot gefunden. Ursache unklar. Nadine erwähnt nochmal, dass niemand >>> weiterlesen

29. September, 2 Uhr 44

Bis in die Nacht zu fahren hatte etwas Gutes: Als wird in Karlsruhe angekommen sind, war der Betrieb gehörig heruntergefahren. Die Belegschaft war auf Partygänger und Kriminelle der kleinen und mittleren Größenordnung geschrumpft.

Wie soll es anders sein. Kaum in Karlsruhe, ereignet sich der Zwischenfall. Da schafft man es 500 Kilometer und auf den letzten 5 kommen dann die Komplikationen. Da saß ich mir nichts, dir nichts in der S-Bahn, kam so ein Freak an und wollte mir CDs verkaufen (unter anderem von Nana!). Ich wollte doch nur einsam sein. Ich hatte nicht nur kein Interesse, ich habe auch betont abweisend reagiert. Aber der alte Hund war verbissen. Nachdem er mir die CDs nicht aufschwatzen konnte, hat er versucht, mir >>> weiterlesen

2. Oktober, 14 Uhr 16

Nachdem sich die Dinge in der letzten Zeit etwas überschlagen haben, ist bereits jetzt eine angenehme Ruhe und Gemütlichkeit eingekehrt. Ich bin wieder in meinem Karlsruher Leben angekommen. Anders and Anna back in love.

Ich habe mich richtig gefreut, Anna wieder zu sehen. Nachdem ich sie mit Geschenken eingedeckt habe, verbrachten wir in den vergangenen Tagen viel Zeit miteinander. Neben dieser Hyäne von Alex wirkt sie wie ein frommes Lamm. Ich fühle mich stark, wenn sie bei mir ist. Anna ist so zierlich und klein. Neben ihr sehe ich aus wie Obelix neben Asterix.

Die Grenzen des guten Geschmacks habe ich hinter mir gelassen. Sie hat mich gefragt, wie alles lief. Ohne eine Miene zu verziehen, meinte ich, dass ich >>> weiterlesen

3. Oktober, 19 Uhr 08

Gestern habe ich die Polizeimeldungen der vergangenen Woche durchforstet. Von Alex‘ Retter habe ich nichts gefunden, also brauch ich mir da keine Gedanken mehr zu machen. Der hatte also offiziell einen Unfall oder irgendeinen natürlichen Tod. Ich habe damit nichts zu tun, ich brauch somit kein schlechtes Gewissen haben. Der Typ ist einfach im Kreuzfeuer gestorben. Pech für ihn. Oder sie…

Spannend wurde es trotzdem. Nämlich als ich die Zeit weiter zurückdrehte. Es war eine Meldung zu finden, dass unser Freund und Helfer Zeugen für einen gewissen Vorfall an einem gewissen Tag vor meiner Reise nach Bremen sucht. Eine Zeugenbeschreibung liegt nicht vor. Sehr schön. Wenn wir davon ausgehen, dass die Meldung keine Finte ist, um den Täter leichtsinnig zu >>> weiterlesen