Ich bin so ein Trottel. Das ist der Dämpfer schlechthin. Mir fällt erst jetzt auf, wie unklug es wäre, Lars auf die bewährten Weisen zu eliminieren. Für einen Schock fehlt die Wanne, das geht nicht mal. Und Blutspuren in der Dusche zu hinterlassen ist zu waghalsig. Die Flecken müsste ich morgen schrubben, sollte mir das misslingen, öffnet sich mir im besten Fall nur eine Welt von Fragen. Ich wünschte, ich hätte mir Schlaftabletten besorgt.
Ich bin wirklich ein Idiot. Es muss ein Dahinscheiden sein, das keine Spuren hinterlässt. Jetzt muss ich mich an der Türklinke erhängen wie die Freundin von Mick Jagger. Das ist wahrlich kein angenehmer Abgang. Da war ich so fixiert auf den Händedruck und den guten Eindruck. Ich übersah den wichtigsten Teil der Planung. Ersticken gehört nicht zu einem entspannten Abend, aber mir bleibt keine Alternative. Damit kann ich mich gerade gar nicht anfreunden.
Da kann ich auch gleich meine Geheimwaffe zücken. Dazu musste ich tief in den Kisten im Keller wühlen. Das Fundstück habe ich gerade aus meinem Rucksack gezogen: Es ist eine alte Einladung zu Lars‘ 21. Geburtstag, liebevoll per Hand geschrieben.
Ich kritzele schon ein wenig.
Seine Schrift nachahmen ist überraschend einfach. Lars wurde schon in der Schule ständig auf seine Mädchenschrift angesprochen. Wäre er nicht so hässlich und schüchtern gewesen, hätte er unsere Mitschülerinnen sicher mit Liebesbriefen betören können. Die Punkte sind riesig, die Anfangsbuchstaben ebenfalls. Die Schrift ist geschwungen und er drückt den Kugelschreiber wie ein Berserker auf das Papier. Im Laufe der Jahre dürfte sich der Schreibstil etwas geändert haben. Sollte er wenigstens ähnlich geblieben sein, sitze ich im sicheren Boot wie Frauen und Kinder.
Meine Hände sind feucht, werden abwechselnd zur Faust geballt, damit sie etwas zu tun haben.
Es ist es gleich wieder so weit. Ich zögere es doch nur wieder hinaus. Mein Herz trommelt ein Solo, der Bass pumpt im Hals.
Oh Jesus… Fast vergessen: Bitte nicht stören hängt jetzt auch noch an der Tür! Das wäre ein böses Erwachen, wenn mich jemand in dem Zustand entdeckt.
Das letzte Bier ist geflossen, mein Strick ist gebunden.
Ich werde einen Abschiedsbrief schreiben, der Alex einen Denkzettel verpasst, den sie nicht vergessen wird. Theatralisch: nein. Gefühlsduselig: nein. Es wird: gemein. Ich spüre, wie mir das Böse über die Schultern schaut, es feuert mich an, diese Zeilen zu schreiben:
Ich hatte schon immer im Gefühl, dass du ein schlechter Mensch bist. Heute bekam ich die Bestätigung. Du bist schuld, dass ich aufgebe. Ich kann mir so einer hinterhältigen Person nicht leben, dein Anblick ekelt mich an. Du missbrauchst das Vertrauen von Leuten und schämst dich nicht mal dafür. Du bist schuld, Alex!