25. August, 10 Uhr 10

Ich habe es noch ein paar Stunden im Bett ausgehalten. Mich ständig von der einen Seite auf die andere gewälzt. Sicher bin ich auch mal eingenickt, aber nun kann ich nicht mehr liegen.

Es ist tatsächlich Sonntag, das Internet sagt bekanntlich immer die Wahrheit. Das bedeutet: Ich habe keine Tage verloren und wurde nicht von Aliens entführt. Ich bin also kein Fall für die Akte X.

Diese Narbe kann ich mir nicht erklären, es ist ein langer Schnitt vertikal an der Pulsader hoch. So geschnitten, wie man sich eben umbringen würde… wie ich mich umbringen würde. Fest steht: Gestern Nacht ist reichlich Alkohol geflossen. Dadurch ein Blackout und mein Rätsel.

Der Ablauf, bei dem ich mir sicher bin: Ich bin >>> weiterlesen

25. August, 15 Uhr 50

Der Trip hört einfach nicht auf. Da bin ich mit besten Vorsätzen in den Mittag gestartet. Hab fleißig getrunken, um meinen Flüssigkeitshaushalt wieder zu regulieren. Leitungswasser, ganz brav. War an der frischen Luft, und das nicht nur, um Bier zu kaufen. Ich habe sogar noch eine Runde durch den Stadtgarten gedreht. Naja, es war eine halbe Runde, da waren nämlich zu viele Familien unterwegs. Da redete ich mir bei dem Ausflug gut zu, dass ich einfach mal den freien Tag genießen soll. Kaufte noch mein Bier, wollte zuhause einfach nur runterkommen, nicht mehr rumspinnen. Und dann kam beim Einbiegen in meine Straße der Schock: Blaulicht.

Vor unseren Haus standen etliche Fahrzeuge: Polizei, Feuerwehr.

Krisenmodus. Ich wollte die Haustür reingehen, ein >>> weiterlesen

25. August, 16 Uhr 50

Jetzt kann ich durchatmen. Die Polizei hat nicht nur meine Wohnung verlassen. Die Streifenwagen und der Krankenwagen, die vor dem Haus standen, sind auch weg. Ich sehe sie vom Fenster aus jedenfalls nicht mehr. Aus den Augen, aus dem Sinn ist einfach die beste Medizin. Damit wird auch klar, dass die panische Putzaktion in der Badewanne zum Glück unnötig war.

Vorsicht ist aber besser als Nachsicht. Ich bin froh, dass ich es gemacht habe. Trotzdem werde ich das Badezimmer bei der nächsten Gelegenheit, also heute Abend oder vielleicht morgen oder auch etwas später, grundreinigen. Es ist immer noch Blut in der Badewanne. Blut in der Wanne… das klingt wie eine deutsche Black Metal Band. Mit ein bisschen Abstand, damit meine >>> weiterlesen

26. August, 9 Uhr 45

Es ist Montag, neue Woche, neues Glück. Gut geschlafen habe ich nicht. Ich bin ständig aufgewacht, als wäre Vollmond. Der Rest des gestrigen Abends war unauffällig. Ich habe gedöst und mich von der Glotzbox berieseln lassen.

Ein paar Gedanken habe ich mir heute morgen auch schon gemacht. Ich muss diese Geschichte irgendwie abhaken. Ich habe nichts verbrochen. Zumindest nichts, an das ich mich erinnern kann. Außerdem war ich betrunken. Das können sogar die Türsteher bezeugen. Damit war ich unzurechnungsfähig und somit schuldunfähig, also freizusprechen! Wenn ich was gemacht haben sollte, muss sich die Polizei schon selbst melden. Ich habe die Polizisten schon in meine Wohnung gelassen. Mehr Kooperation kann nun wirklich niemand erwarten, von Eigeninitiative ganz zu schweigen.

Das Leben >>> weiterlesen

27. August, 14 Uhr 48

Die Mission Der gute Anders ist in vollem Gange. Nicht nur, dass ich im Kiosk heute besonders freundlich war und netten Smalltalk gehalten habe. Ich bin bei meiner To-Do-Liste einen Schritt weiter. Ich habe mir vorgenommen Blut zu spenden. Und tu es gerade.

Ich sitze im Krankenhaus.

Es ist ein Blutspendezentrum, das im Augenblick extrem überfüllt ist. Ob die Leute genauso nett sind wie ich oder auf einfaches Geld aus sind, ist ein nettes Ratespiel. Die Anmeldung ging recht schnell. Ausweis, Adresse. Dann ein längerer Fragebogen. Irgendwelche Krankheiten habe ich meines Wissens nicht, Medikamente, Reisen und so was auch nicht. Der Alkoholkonsum ist ja subjektiv. Ich nannte ihn einfach normal. Nun sitze ich eben hier und warte, bis der Arzt >>> weiterlesen

27. August, 15 Uhr 22

und da bin ich wieder.

Bei der Untersuchung hat er nur kurz den Blutdruck gemessen – zu hoch. Ansonsten durfte ich spenden. Was ich mittlerweile getan hatte. Hätte mich ehrlich gesagt auch gewundert. Die Blutspende war harmlos, das kann ich also wiederholen. Ich darf allerdings noch nicht gehen, ich bin gerade in der Ruhe- und Regenerationsphase. Es werden Orangensaft und Cracker gereicht. Scheußlich.

Ich werde auf dem Rückweg durch die Stadt schlendern und ein paar Leute grüßen, bei einer Drogerie vorbeischauen und mich mit dem Nötigen eindecken. Da ich keine Lust mehr habe, hier zu hocken, verkürze ich meine Ruhepause. Und ab dafür.>>> weiterlesen

27. August, 19 Uhr 29

Meine gute Tat wurde direkt belohnt. Vielen Dank, Karma. Du hast dich postwendend revanchiert.

Ein gutes Gefühl muss Wunder für das Selbstbewusstsein wirken. Oder ich war durch das fehlende Blut so leicht im Kopf, dass ich ein neuer Mensch war.

Jedenfalls: auf dem Heimweg vom Krankenhaus bin ich der süßen, blonden Anna begegnet. Sie war gleich am Anfang offen. Entgegen aller Erwartungen also nicht irgendwie abgeschreckt von mir. Das Problem mit unserem Treffen auf der Party konnte ich direkt aus der Welt schaffen. Ehrlich währt am längsten, dachte ich mir. Ich habe ihr erklärt, dass ich schon länger nicht mehr weg war. Sie fand es dann gar nicht mehr so schlimm, dass ich mir den Mut antrinken musste, um alleine >>> weiterlesen

27. August, 19 Uhr 55

Ich bin fertig. Ich habe versucht ehrlich zu sein, wo es ging. Teilweise auch ein wenig übertrieben, um Mitleid, nein, eher Verständnis zu bekommen. Ich habe gemeint, dass ich sie vermisse, dass der Umzug spontan war und ich sie nicht hintergehen wollte. Im Endeffekt allem widersprochen, was meine Mutter behauptet hat.

Dass ich es zuhause einfach nicht mehr ausgehalten habe und mehr als nur einen Tapetenwechsel gebraucht habe. Dass ich gerade jung und frei genug bin, um den Schritt ans andere Ende von Deutschland zu wagen. Ich habe ihr meine neue Adresse geschickt, falls sie mich mal besuchen möchte. Ich hoffe aber natürlich, dass sie nur mit einem Brief antwortet und meinen Bluff nicht bestraft. Wir wollen ja nicht gleich >>> weiterlesen

28. August, 0 Uhr 04

Wenn Tropfen fallen, schüttet es.

Ich stehe vor dem Spiegel einem geschunden Körper gegenüber. Ich habe Prellungen und Schürfwunden, Schmerzen wie nach einer Operation. Ich wurde von einem Auto angefahren. Die Einzelheiten sind verschwommen wie bei einem Weichzeichner. Ich bin mir nicht sicher, was genau passiert ist. Warum bin ich nach hause gelaufen statt in ein Krankenhaus?!

Was ich weiß: Ich bin mit meinem klimpernden Kleingeld in der Hosentasche aus dem Haus. Es wurde finster, hat bald angefangen zu regnen. Auf halbem Weg zur Post hat es richtig geschüttet. Haare nass, Jacke nass und das Schlimmste: Hose nass. In der Hose war nicht nur meine Münzsammlung, die so eine Dusche natürlich unbeschadet überlebt. Nein, auch die Nummer von Anna, der >>> weiterlesen

28. August, 9 Uhr 01

Es ist nicht zu fassen! Was ein wenig Schlaf doch alles ausrichten kann! Ich wusste schon immer, dass ich hart im Nehmen bin. Früher war ich auch nie lange krank oder verletzt, aber das hier ist schon abgefahren, wie wenn man den Bus verpasst.

Ich fühle mich zwar nicht fit wie ein Turnschuh, aber da ich zäh wie ein Siebenmeilenstiefel bin, komm ich mir vor wie alte Arbeitsstiefel. Ich bin nicht in der besten Verfassung, aber belastbar. Entweder habe ich heute Nacht vor Schreck übertrieben oder durch den Schock mehr Schmerzen und Wunden gesehen, als jetzt noch da sind. Oder ich bin ein Superheld mit übermenschlichen Heilungskräften. Ich habe ja immer gehofft, das ich etwas besonderes bin.

Nun sitze ich >>> weiterlesen