3. Oktober, 22 Uhr 25

Oh Junge, ich bin auf Konflikt aus. Ich glaube, ich wurde eben herausgefordert. Ich glaube, dass die Halunken dem König den Fehdehandschuh vor die Füße geworfen haben. Aber der Reihe nach.

Meinem Vorhaben ließ ich direkt Taten folgen. Ich saß also gemütlich auf einer Bank gegenüber einem Platz, von dem ich als Umschlagplatz oder zumindest Treffpunkt einer Verbrecherbande gehört habe – von einem Opa, nicht gerade heldenhaft.

Der Park ist bei mir um die Ecke. Ich bin mir sicher: Es war in den Zeiten vor der Belagerung ein netter Erholungsort. Die Betonung liegt ganz klar auf war. Wie überall in Karlsruhe entstanden bestimmt auch dort irgendwann zu viele Baustellen, um sich wohlfühlen zu können. Aufgrund der relativen Abgeschirmtheit folgten den >>> weiterlesen

4. Oktober, 8 Uhr 38

Ich fühle mich revitalisiert, voller Elan. Ob das nun an einem gesunden Tiefschlaf lag oder an der Tatsache, dass ich ein paar Entscheidungen getroffen habe, kann ich nicht sagen. Vielleicht eine Kombination von beidem. Es ist immer wieder erstaunlich, welche Arbeit das Unterbewusstsein übernimmt. Da schläft man mit bestimmten Gedanken und Sorgen ein und wacht mit einer Lösung auf. Drüber schlafen ist effektiver als jeder Richterspruch. Ich lasse keine Berufung zu.

Vorhin kam beispielsweise eine Mail von Mike: Die Beerdigung findet am Samstag in Bremen statt. Das wäre ein guter Zeitpunkt, um eine offene Rechnung zu begleichen.

Doch im Schlaf wurde ein Urteil gefällt: Ich bleib zuhause. Mein tiefstes Inneres kann sich einfach nicht überwinden, nochmal nach Bremen zu tuckern. >>> weiterlesen

6. Oktober, 16 Uhr 58

Arbeiten war in den letzten Tagen grausam. Ich habe mir deshalb einen kleinen Freund gegönnt. Da zwitschere ich mir immer wieder ein kleines Schlücken. Es hat Vorteile, wenn man alleine arbeitet. Im Großraumbüro müsste ich das heimlich machen. Hier sieht mich eh keiner. Mit ein bisschen Wärme im Bauch geht alles leichter von der Hand.

Der Chat kommt einfach nicht zur Ruhe. Die bombardieren sich gegenseitig mit Ideen: Luftballons mit Erinnerungen steigen lassen, Leichenschmaus als Picknick, Trauerminute im Stadion. Ignoriert.>>> weiterlesen

7. Oktober, 10 Uhr 13

Gestern habe ich die dämlichen Drogen schon wieder ausgepackt und auf dem Küchentisch bestaunt. Ich hab mit dem Gedanken gespielt, das Zeug zu testen. Dann habe ich mir die die durchgepeitschten Verlierer vorgestellt, die ich ständig vorbei laufen sehe, deren einzige Aktivität Lebensmittel einkaufen ist. Ansonsten sind sie zugedröhnt zuhause. Ich konnte widerstehen. Stattdessen suchte ich nach potenziellen Käufern.

Gefunden: einen Laden für Räucherzubehör, Bongs und Pipes. Der ist direkt am Stadtgarten. Ich kenne mich in der Szene nicht aus, aber vielleicht hängen dort Dealer rum. Wenn die nicht selbst Stoff ankaufen, werde ich dort bestimmt Konsumenten finden.

Also nochmal angezogen, Rucksack aufgespannt. Ich hatte ja schon überlegt, ob ich das Zeug direkt mitnehmen soll. Hab mich aber dagegen entschieden. >>> weiterlesen

7. Oktober, 13 Uhr 23

Den Treffpunkt hatte er mir schnell erklärt, der Zeitpunkt war bald. Also bin ich schnell nach Hause gefahren. Dort habe ich mich sofort umgezogen. Nicht dass mich da jemand fotografiert, wie man es von den amerikanischen Serien kennt. Ich habe die Verkleidung angezogen, die sagt, dass man nicht erkannt werden möchte. Neben den obligatorischen Accessoires, Sonnenbrille und Mütze, habe ich mich für Klamotten entschieden, die so alt ist, dass ich sowieso entsorgen wollte. Die Jeans mit dem abgelatschten Saum will ich sowieso nicht mehr. Den Strickpullover auch nicht.

Ich sah mich im Spiegel an. Lächerlich. Normalerweise müsste ich mich schämen, so auf die Straße zu gehen. Ich schwor mir, dass mein erster Drogendeal auch mein letzter sein wird. Im Geiste >>> weiterlesen

8. Oktober, 12 Uhr 15

Der Schluck hier ist für dich, Anna! Sie meinte gestern Abend, dass ich aufpassen soll, nicht in die Alkoholfalle zu tappen. Was hat man davon, wenn man ehrlich ist: zu gut gemeinte Ratschläge. War ja klar, dass diese Spießerin nörgelt, wenn ich mal aus dem Nähkästchen plaudere. Nach dem Deal musste ich erstmal was trinken, um runterzukommen. Dann hab ich ein bisschen Detektiv gespielt, erstmal geschaut, ob das Geld irgendwie markiert ist. Nur um festzustellen, dass ich keine Ahnung habe, was das bedeutet. Also war die Sache mit den Drogen und dem Geld auch wieder erledigt und ich war einfach froh, so cool zu sein. Ich finde Gefallen an diesem Leben, in das ich eingetaucht bin wie beim Kopfsprung.

Ich >>> weiterlesen

9. Oktober, 19 Uhr 37

Heute kam kurz vor Ende der Schicht kam eine jüngere Version von Maas ans Kiosk. Er schaute verdächtig, tat übertrieben beiläufig. Da war mir klar, dass hier etwas nicht stimmt. Der führt doch was im Schilde. Schnell mal drei Kaugummi reingeworfen, bevor er den Mund aufmachen konnte. Sicher ist sicher.

Ich war auf alles vorbereitet. Haben sich die Kundenbeschwerden gehäuft? Ist mein schlechter Service bis zu Maas durchgedrungen? Mir kam es doch so vor, als ob der Umsatz in den letzten Tagen sogar gestiegen ist. Ich musste die Leute ja ablenken, also bot ich ihnen diverse Sachen an. Hatte ich das Stein im Brett nach der Bomben-Geschichte schon wieder verloren?

Mein Kollege hat, kurz nach dem ich angefangen habe, schon >>> weiterlesen

10. Oktober, 17 Uhr 39

Es war ein Mittag für Anna. Sie hat mich überrumpelt und in einer guten Laune erwischt. Was ein Lottogewinn doch bewirken kann…

Resultat: eine Vorstellungsrunde bei ihren Freundinnen.

Wir haben uns in einem kleinen Cafe getroffen. Nachdem etwas zaghaften Hände schütteln und den voraussehbaren Floskeln wie „Ach, jetzt lernen wir dich auch mal kennen“ wurde es ein laurwarmer Ausflug. Zu dem Kaffee gesellte sich schnell Klatsch. Schrecklich, wenn Leute ausschließlich über andere sprechen. Der hat dieses getan und die hat jenes geantwortet.

Die Themen waren ohnehin schon langweilig, wenn man die Opfer der Läster-Schwestern aber nicht kennt, ist es richtig öde. Ich weiß zum Beispiel, dass eine Freundin mit ihrem Freund Schluss machen möchte, weil sie denkt, dass sie mehr >>> weiterlesen

11. Oktober, 17 Uhr 01

Ich habe mir das Schauspiel rund um den Drogenverkauf am Kronenplatz gestern Abend angeschaut. Dort fühle ich mich sicherer als bei dem anderen Treffpunkt. Es verkehren auch normale Menschen. Auch die anderen Typen wirken weniger aggressiv. Wahrscheinlich, weil die Kronenplatz-Gang in der Öffentlichkeit arbeitet. Soll mir recht sein, so verschwimme ich in der Flut an Menschen, die hier ein- und auskehrt. Ich habe mich auf eine Parkbank unweit davon platziert. Kaffee to go und Semmel, dazu was für Notizen. Schein wahren. So stelle ich mir zumindest eine typische Verschnaufpause vor, studentisch eben.

Bei meiner Beobachtung ist mir wieder bewusst geworden, dass ein Leben wie früher zum jetzigen Zeitpunkt keine Option für mich ist. Aussicht auf eine fette Beute und der >>> weiterlesen

12. Oktober, 22 Uhr 21

Ich war heute von Anfang bis Ende in guter Stimmung. Allerdings bin ich dafür jetzt auch ein wenig verkatert. Nicht nur dass mir die Arbeit leicht von der Hand ging, Maas schleimte sich bei mir ein: Er bot mir an, die Schichten flexibler zu legen. Ich vermute, das ist die erste Stufe der Karriereleiter. Wenn er wüsste, dass ich seine Kunden beklaue. Er überträgt mir langsam, aber sicher auch eine neue Aufgabe: die Bestellung beziehungsweise deren Aufstellung. Könnte nützlich werden.

Für den Nachmittag habe ich mich erweichen lassen, einer Verabredung von Anna und ihren Freundinnen beizuwohnen. Ich kann nicht sagen, ob es wahr war, dass die anderen Mädels nach mir gefragt haben, aber es hat gezogen. Ich kam mir geschmeichelt >>> weiterlesen