12. Oktober, 22 Uhr 21

Ich war heute von Anfang bis Ende in guter Stimmung. Allerdings bin ich dafür jetzt auch ein wenig verkatert. Nicht nur dass mir die Arbeit leicht von der Hand ging, Maas schleimte sich bei mir ein: Er bot mir an, die Schichten flexibler zu legen. Ich vermute, das ist die erste Stufe der Karriereleiter. Wenn er wüsste, dass ich seine Kunden beklaue. Er überträgt mir langsam, aber sicher auch eine neue Aufgabe: die Bestellung beziehungsweise deren Aufstellung. Könnte nützlich werden.

Für den Nachmittag habe ich mich erweichen lassen, einer Verabredung von Anna und ihren Freundinnen beizuwohnen. Ich kann nicht sagen, ob es wahr war, dass die anderen Mädels nach mir gefragt haben, aber es hat gezogen. Ich kam mir geschmeichelt vor und wollte sie nicht enttäuschen. Guter Schachzug. Hut ab, Anna. Ich sagte mir: Es gibt schlimmere Schicksale als Zeit mit gutaussehenden, jungen Frauen zu verbringen. Gegen solche Gesellschaft habe ich nichts einzuwenden.

Wie es so ist, wenn man sich auf seine Freundin verlässt: Es kam anders. Spontan wurde die Runde größer. Das, was sie beim letzten mal geplant hatten, wurde heute wiederholt. Alle Rollen waren gleich verteilt.

Ich werde nicht lügen: Es war ein nettes Treffen, obwohl ich beinahe wieder abgesagt hätte, als sie die Verstärkung ankündigte. Neben den angekündigten Freundinnen kamen weitere Ladies, garniert wurde der Eintopf von ein paar Lebensabschnittspartnern.

Da mich die meisten höchstens vom Hörensagen kannten, wurde ich natürlich interviewt. Zum Glück hatte ich meinen Flachmann dabei. Da konnte ich mir heimlich Geduld antrinken. Es war das langweilige Gestammel: Woher kommst du, wie bist du, was machst du.

Nach meinem dritten Besuch im Busch beim flachen Mann, sah ich die Sache positiv. Sonne, Sekt, Schönheiten und Schnaps. Das Wetter war gut und ein schlauer Herr hat Sonnenbrillen erfunden. Die Damen waren knapp bekleidet, Veronika in Hotpants und Top mit Spaghettiträgern. Obwohl sie ein geistiger Brandstifter war, war mir Veronika willkommen wie jeder Club beim FC Kaiserslautern… außer Bayern!

Am frühen Abend hat sich die Versammlung schließlich aufgelöst.

Während des Mittags haben Anna und ich immer wieder geplant, wie wir den Abend gemütlich verbringen könnten. Ach, was hatten wir Ideen: Kochen, Gesellschaftsspiel, Film, Fondue, alte Bilder anschauen. Ich habe mir sogar eine Massage aus der Seite leiern lassen.

Aber wie es so ist, wenn man schon den ganzen Mittag aufeinander hockt: Die Pläne wurden verworfen wie Brettspiele von jähzornigen Kindern, die verlieren.

Alkohol plus Sonne ist nicht die beste Kombination. Daher hatten wir beide weder Energie noch Lust auf den anderen. Bei uns angekommen haben wir umdisponiert. Die Entscheidung war leicht. Sie hat nach Sekt gestunken, ich wahrscheinlich nach Sekt und Kräuterlikör. Da brauchte es nicht mehr als eine kleine Notlüge, um den gemeinsamen Abend vorzeitig zu beenden. Sie sah erleichtert aus, dass sie ihre Ruhe haben würde. Ich habe einen Seufzer der Zufriedenheit rausgelassen, als sie zustimmte. Liebevoll ist das nicht. Also dass wir trotz der Möglichkeit uns ein Bett zu teilen, vorziehen in den eigenen vier Wänden schlummern. Aber das ist ja auch nicht weiter schlimm. Das ist eben Alltag. Irgendwann lässt das Verliebte einfach nach. Auch der letzte Schmetterling im Bauch geht irgendwann ein.

Anna hatte sich schon ins Bett verabschiedet, als ich gehen wollte. Kurz vor der Tür habe ich nochmal kehrt gemacht, um ihr einen Abschiedskuss zu geben. Wie romantisch. Mitnichten. Es war nicht so nett gemeint, wie es hoffentlich wirkte. Der Kuss war die Kontrolle, dass mein nächster Zug aus ihrem Blickfeld stattfindet.