10. Oktober, 17 Uhr 39

Es war ein Mittag für Anna. Sie hat mich überrumpelt und in einer guten Laune erwischt. Was ein Lottogewinn doch bewirken kann…

Resultat: eine Vorstellungsrunde bei ihren Freundinnen.

Wir haben uns in einem kleinen Cafe getroffen. Nachdem etwas zaghaften Hände schütteln und den voraussehbaren Floskeln wie „Ach, jetzt lernen wir dich auch mal kennen“ wurde es ein laurwarmer Ausflug. Zu dem Kaffee gesellte sich schnell Klatsch. Schrecklich, wenn Leute ausschließlich über andere sprechen. Der hat dieses getan und die hat jenes geantwortet.

Die Themen waren ohnehin schon langweilig, wenn man die Opfer der Läster-Schwestern aber nicht kennt, ist es richtig öde. Ich weiß zum Beispiel, dass eine Freundin mit ihrem Freund Schluss machen möchte, weil sie denkt, dass sie mehr Gefühle für ihn, als er für sie hat. Das wurde anhand mehrerer Beispiele auch bestätigt. Ich habe mir während dieser Ferndiagnosen fünf Methoden ausgedacht, mit einem Teelöffel Selbstmord zu begehen.

Ich frage mich, ob alle Frauen so ein Bedürfnis haben, Ereignisse zu sezieren.

Ich möchte gar nicht wissen, was Anna schon alles über mich erzählt hat. Gehört wohl einfach dazu. Drei Getränke über zwei Stunden verteilt hielt ich aus. Das wirre Geplapper wurde mir allmählich zu viel, als sie anfingen, den weiteren Tag zu verplanen.

Die Hübsche: „Wir könnten ins Schwimmbad gehen oder uns mit Sekt auf eine Wiese legen. Wir könnten ja die Jungs noch einladen.“ Die Idee wurde sofort be-oh-jaht. Schon war die Sache ausgemacht wie der Fernseher nach dem Sandmann. Wie aus dem Gewehr hat jede ihren Anteil beigeschossen.

Anna: Sekt und Chips.

Judith: Decke und Musik.

Die Hübsche: Bisschen Obst.

Veronika: Spiele und „ich schau mal, was ich noch finde.“

Bevor Anna mir eine Verpflichtung aufdrücken konnte, habe ich sie unterbrochen. Ich hab gemeint, dass ich dringend arbeiten müsste, weil ich spontan einen Zeichenauftrag angenommen habe.

Anna hat nur kurz misstrauisch geschaut. Geglaubt hat sie mir wohl nicht, aber immerhin hat sie mich nicht vor versammelter Mannschaft auflaufen lassen. Ein schlechtes Gewissen habe ich nicht. Ich finde, dass ich für heute meine Schuldigkeit getan habe. Eine Aktivität mit ihren Freundinnen muss nicht zu einem ganzen Tag mit ihren Freundinnen, deren Freunden und sonstwem ausarten. Ich habe Wichtigeres vor als nett zu normalen Menschen zu sein, und dabei so zu tun, als würde ich die Hübsche nicht begaffen.

Für mich heißt es Schnitt und Szene. Es wartet ein Kulturschock.

Umgezogen habe ich mich bereits – vom bunten Hemd zur schwarzen Jacke. Aus Anders wird der Suizidkönig. Maske ist angelegt. Ich habe einen Lauf. Und die Weisheit sagt: Ein Team das gewinnt, sollte man nie verändern.

Dieses Drogengeschäft scheint lukrativ. Ich habe Hunger, heute Abend hole ich mir noch ein Stück vom Kuchen.

Karriere werde ich machen, da hat Maas recht.