20. Oktober, 18 Uhr 17

Da meine Wunden soweit verheilt sind, habe ich heute wieder gearbeitet. Das ist dann auch ein gutes Argument, wenn es gilt die besorgten Bürgerinnen in meinem Leben zu bändigen. Wer schon wieder arbeiten geht, kann so krank nicht sein.

Ständig von Anna gefragt zu werden, ob sie was für mich tun kann, war zu viel. Das Gewissen meiner Mutter alle paar Stunden zu befriedigen, setzte dem Elend noch einen drauf: „Sollen wir nicht doch kommen? Ich könnte dir dann die gute Gemüsesuppe machen. Die magst du doch so.“

Als ich mein Handy gestern Abend lautlos gestellt habe, kam ich mir vor wie ein Teenager, dessen Hormone in Wallung geraten, wenn er endlich die Zimmertür zuschließen kann und nicht mehr gestört >>> weiterlesen

22. Oktober, 21 Uhr 26

Verletzungen sind eine schöne Begründung, um sich über Regeln hinweg zu setzen. Ich bin einfach ein wenig früher vom Kiosk gegangen. Hab zum Chef gemeint, dass ich zum Arzt muss. Arzttermin: die wohl beste und zugleich nervigste Erfindung des Gesundheitssystems. Er laberte von einem Attest, aber bis morgen hat der das bestimmt wieder vergessen. Ich kam mir in dem Moment vor wie in der Schule.

Da ich früher gegangen bin, war es wie ein geschenkter Vormittag. Da konnte ich es mir noch gemütlich machen. Es gab meinen Klassiker: Pizza und Bier. Doppelt Käse, dazu ein paar Dosen. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Entsprechend entspannt ging ich meine Besorgungen erledigen. Mit einem gewissen Pegel läuft es sich chillaxter durch überfüllte >>> weiterlesen

23. Oktober, 14 Uhr 25

Jesus, die Tabletten knallen ganz schön. So fest habe ich sonst nur nach einem Vollrausch geschlafen. Den Wecker habe ich überhört oder, was ich vermute, er hat gar nicht geklingt. Diese Technik lässt einen immer wieder im Stich.

Ich habe mich gegen 10 Uhr aus der Decke geschält. Auf meinem Handy waren 5 entgangene Anrufe. Auf der Mailbox 3 Nachrichten. Maas. Da das sicher keine netten Botschaften waren, habe ich sie einfach durchlaufen lassen, während ich duschte.

Gearbeitet hab ich ab 11 Uhr. Der alte Maas stand da, als ich ankam. Als ich ihn von Weitem sah, warf ich mir eine Halbe ein, um nicht gestresst zu werden. Ich glaube, er wusste nicht, ob er sich freuen soll, dass er >>> weiterlesen

28. Oktober, 11 Uhr 02

Arbeiten war ich heute überpünktlich, schließlich bin ich motiviert aufgewacht. Der Brief hat mir neue Kraft gegeben. Früh morgens aus dem Haus zu gehen hat den Vorteil, dass niemand auf den Straßen ist. Die Welt ist von halb 6 bis 7 in so einem Zwischending gefangen. Die Nachtschwärmer sind zuhause angekommen. Der letzte Döner wurde gegessen. Die arbeitende Bevölkerung wacht so langsam auf, aber bleibt noch in den eigenen vier Wänden.

Wenn ich mal gute Laune habe, kommt ein Stimmungskiller. Diesmal in Form von dem Typen, der im Lotto gewonnen, dem alles so schnell zerronnen ist. Das war echt ein geiler Tag, als ich den Trottel abgezogen habe. Das andauernde Verlieren scheint an seinen Nerven zu zerren. Er wollte mir >>> weiterlesen

28. Oktober, 13 Uhr 35

So sehr sehnte ich den Feierabend selten herbei. Als der kleine Zeiger auf der 1 war, legte der Mann in meinem Kopf eine Freudentanzeinlage hin.

Bald stellte sich heraus: Zu früh gefreut.

Keine Ablösung in Sicht. Normalerweise ist auf Holger Verlass. Er kommt in der Regel 5 Minuten zu früh, um vor Arbeitsbeginn noch eine zu quarzen und ein wenig zu schnacken. Heute erwartete ich ihn sehnsüchtig.

Nach einer Ewigkeit, in der ich meine Sachen längst gepackt, den Schlüsselbund fest in der Hand hielt, wagte ich einen Blick auf die Uhr. Erst 13 Uhr 05. Holger, wann kommst du endlich?

Ich befürchtete das Schlimmmste: Holger kann nicht, ich soll für ihn einspringen.

Dann war er 10 Minuten zu spät.

Ich >>> weiterlesen

28. Oktober, 18 Uhr 30

Mein Mittagsschläfchen habe ich heute ausfallen lassen, gehe nämlich früh ins Bett. Anna musste ich für abends natürlich absagen. Mir ist nicht Plausibles eingefallen. Also meinte, ich dass ich nach Jobs schauen wollte, meine Zeit mit Bewerbungsschreiben und dem Gedöns verbringen müsste.

Arbeiten werden ich, Richter und Henker in Personalunion.

Ich sehe den Typen genau vor mir. Mit seiner unmöglichen Art. Viel zu überheblich für den kümmerlichen Körper. Er hat einen Fettgehalt wie ein Light-Produkt, trägt aber Kleidung in X mit einer Zahl vorne dran. Sieht aus wie eine Alte, die sich morgens das Shirt von ihrem Lover überstreift. Und dazu hatte er dann meinen coolen Rucksack auf. Das war die Schande von Karlsruhe!

Ich würde am liebsten die ganze >>> weiterlesen

29. Oktober, 10 Uhr 52

Ich muss mich bei meinem Arzt bedanken. Diese Schlaftabletten sind zu krass. Da habe ich mich extra zeitig in das Land der ewigen Träume verabschiedet – natürlich nur stellvertretend. Ich rechnete eigentlich damit, dass ich ganz normal morgens aufwachen würde. Pustekuchen wie am Geburtstag. Ich habe eeewig geschlafen!

Und bin todmüde. Heute morgen, als ich um 9 Uhr aufgewacht bin, fühlte ich mich wie nach einer durchzechten Nacht. Kopfschmerzen, trockener Mund, Kratzen im Hals und rote Augen.

Da ich mittlerweile wieder zuhause bin, war Arbeiten auch nicht ergiebig. Maas schnaubte, als ich ankam: „Ein Glück war ich drei Stunden nach der reckulähren Öffnungszeit zufällig in der Gegend. Ich konnt retten, was zu retten war.“ So ein Held.

Man hat mir >>> weiterlesen

31. Oktober, 18 Uhr 53

Nun ja, einfach so anklingeln und ein Rezept bekommen war gelogen. Da muss ich mir wegen meiner Flunkereien wenigstens kein schlechtes Gewissen machen. Der gute Doktor hat mich ein paar Tage auf einen Termin warten lassen. Er wollte mich als letzten Patienten sehen. Ich hätte es eigentlich gerne direkt morgens erledigt, aber was soll ich mich aufregen. Ich habe derzeit ausreichend freie Zeit, Maas ist nämlich ein sturer Bock. Der Arzttermin war also heute Abend. Wenn ich mir vorstelle, dass ich auch wirklich leiden könnte, mit echten Schmerzen und so, wäre das schon eine lange Wartezeit.

Ich fragte, ob er mich zappeln ließ, damit er interessanter wirkt. Er meinte, er habe viel zu tun, musste gewisse Dinge in Erfahrung zu >>> weiterlesen

1. November, 15 Uhr 49

Mir fehlt die Arbeit überhaupt nicht. Klar, mein Vorrat an Kohle löst sich auf, verfliegt wie Asche im Wind. Das ist wohl der Preis der Freiheit.

Der Chef hat mich freigestellt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich gefeuert bin. Eigentlich wollte ich im Internet schauen, was genau damit gemeint ist, aber ich kam noch nicht dazu. Ich denke mal, dass es unbezahlter Urlaub ist. Ich nehme die Sache einfach wie sie kommt. Mir bleibt ja nichts anderes übrig.

Ohne Verpflichtungen ist es schon geil. Mein Programm: Chillaxen, mir – wenn sie Zeit hat – von Anna an den Ohren knabbern lassen. Ich weiß jetzt alles über ihre Kommilitonen, was es zu wissen gibt.

Heute war ich sogar länger >>> weiterlesen

1. November, 19 Uhr 32

Gegen Abend fand ich mich vor dem Spiegel wieder. Die Pupillen geweitet, der Kiefer mahlend, stachelte ich mich an. Ich nickte mir zu, ballte die Faust, pumpte. Der Entschluss war gefasst, ich durfte jetzt keine Schwäche zeigen. Du musst jetzt los. Du musst es machen. Du musst deine Aufgabe erledigen!

Und dann war ich vor Ort. Trotz chemischem Selbstbewusstsein, bekam ich ein mulmiges Gefühl. Meine Hände und Beine kribbelten. Ich wusste weder was noch wer mich erwartet. Ich hatte nur den Plan, den ich meinem Spiegelbild mit aufgerissenen Augen eingetrichtert habe.

Immer wieder die inneren Widerstände: Dreh um, du machst einen Fehler! Ich zog mich zurück. Suchte, fand ein einsames Plätzchen Ich stand an die graue Wand gelehnt, starrte auf >>> weiterlesen