31. Oktober, 18 Uhr 53

Nun ja, einfach so anklingeln und ein Rezept bekommen war gelogen. Da muss ich mir wegen meiner Flunkereien wenigstens kein schlechtes Gewissen machen. Der gute Doktor hat mich ein paar Tage auf einen Termin warten lassen. Er wollte mich als letzten Patienten sehen. Ich hätte es eigentlich gerne direkt morgens erledigt, aber was soll ich mich aufregen. Ich habe derzeit ausreichend freie Zeit, Maas ist nämlich ein sturer Bock. Der Arzttermin war also heute Abend. Wenn ich mir vorstelle, dass ich auch wirklich leiden könnte, mit echten Schmerzen und so, wäre das schon eine lange Wartezeit.

Ich fragte, ob er mich zappeln ließ, damit er interessanter wirkt. Er meinte, er habe viel zu tun, musste gewisse Dinge in Erfahrung zu bringen. Das ist ein schräger Typ. Er: „Der Mythos von dem Dämon ist so spannend.“

Keine Untersuchung, Hallelujah. Gleich am Anfang hat er gesagt, dass er sich nur unterhalten will, dass wir das mit den Rezepten dann am Ende machen. Cleverer Schachzug, jetzt musste ich ihm eine Show bieten.

Ich akzeptierte, dass ich mir meine Belohnung verdienen muss. Entsprechend abenteuerlich wurde meine Guten-Abend-Geschichte: Ich habe den Typen, der mir den Rucksack geklaut hat, gesehen. Dann habe ich der Polizei einen Hinweis gegeben hätte. Die Polizei wirkte desinteressiert. Den stell ich selbst zur Rede.

Da hat der Doktor vielleicht Augen gemacht, die Beine ausgestreckt und im Stuhl weit zurückgelehnt. Ich konnte fast hören, wie er seinen Zehen nach oben gedrückt hat. Ihm fehlte einzig das Popcorn.

Weiter ging der Flug vom Lügenbaron: Dann gab es eine kleine Rangelei. Ich drohte, er entschuldigte sich. Wann? 29. Oktober, kurz vor 22 Uhr. Wo? Europaplatz. Ganz alleine.

Lautzer: „Ha.“ Dabei klatschte er in die Hände wie ein dressierter Seelöwe. „Endlich zeigt es denen mal einer!“, stieß er hervor. Er erzählte mir, dass er diese Woche mit seiner Familie nach einer Einkaufstour in der Kaiserstraße ebenfalls von diesem Klientel dumm angemacht wurde. Seiner Tochter wurde das Handy geklaut. Er kam aber noch nicht dazu sich zu revanchieren.

Ich ließ mir die Täter beschreiben. Sie kamen mir bekannt vor.

Dann klingelte sein Telefon. Familie Lautzer verlangte nach ihrem Oberhaupt.

Er hat mir flink meine Rezepte ausgestellt. Sagte, dass ich mich nicht unterkriegen lassen soll. Ich: „Keine Sorge…“

Ich sehe mich in meinem Tun bestätigt. Der Suizidkönig sorgt dafür, dass arme Töchter ihre Handys nicht verlieren. Ich werde aufräumen. Und bei dieser kleinen Gang anfangen. Ich werde einen nach dem anderen umstoßen wie Kegel. Ich bin keine Bowlingkugel, ich bin die Abrissbirne.