Gönnhardt: Kapitel 56

Kalte Dusche.

Ein frischer Wind wirbelte Karlsruhe an jenem Morgen auf. Er fegte vom Marktplatz durch die schmale Gasse zum Platz der Grundrechte. Dort nahm er Fahrt auf, sauste über den Schlossvorplatz und prallte ans Gemäuer der Residenz. Hier suchte er einen Schlupfwinkel an der Fassade des Schlosses, um ins Innere zu gelangen.

Der Wind fand ihn, und wehte pfeifend durch die zertrümmerten Scheiben.

Innen wurde der Windstoß von kauenden Füchsen begrüßt. Es war kein angenehmer Besuch. Bertram wurde das Fell zerzaust, Florentine wurde gegen Schorschi gedrückt und Gönnhardt wurde die Stulle vom Teller gefegt. Wie könnte es auch anders sein: Selbstredend lag die Frischkäseseite unten, als das Brötchen auf dem Boden landete. Kraftlos bückte sich Gönnhardt, er senkte den Kopf und beendete sein Frühstück in betender Stellung. Seine Körperhaltung passte zur Stimmung, denn die Füchse waren geknickt wie ein Licht in der Disko. Die gestrige Machtdemonstration hatte Spuren hinterlassen.

Eine solche Katerstimmung herrschte bei den Wölfen nicht. Die Wölfe haben einen gesunden Appetit gehabt. Sie waren zwar beeindruckt – wahrlich beachtlich, diese Wurfgeschosse – aber für sie war die Sache abgehakt. Und dieser somit kein besonderer Tag. Ihnen schlug nichts auf den Magen, daher schlugen sie sich eben jene voll. An dem bisschen, das übrig blieb, knabberten nun die Füchse, während die Wölfe irgendwo im Freien herumlungerten.

Guido konnte ihnen kein zweites Frühstück besorgen, er war beschäftigt. Es fielen außerplanmäßige Arbeiten an, wodurch das heimliche Mahl gestrichen werden musste.

Durch den unverhofften Sauerstoffschub wurden die Lebensgeister der Füchse mit etwas Verspätung geweckt. Es begann eine kleine Diskussion zur Lage der Nation. Florentine schlug vor, sich in den nächsten Tagen zurückzuziehen. Sie wollte sich zuhause verkriechen wie der sitzengelassene Teil einer langjährigen Beziehung bei der Trennung.

Florentine zog Bilanz: Uns will halt keiner. Niemand mag uns, so wird es bleiben für immer und ewig.

Wenigstens der Kummerspeck würde den Füchsen bei ihrer derzeitigen Essensration erspart bleiben.

Reinholdt: Ich mag dich, Florentine.

Claudette: Ich mag dich auch, Florentine. Aber den Reinholdt nicht!

Gönnhardt kaute und schwieg.

Guido wuselte um die Füchse herum. Der Hausmeister war gerade dabei die Glasscherben aufzufegen. Seine nervöse Emsigkeit machte die Stimmung aufgeregter. Gerade stand er bei den Füchsen, fixierte Gönnhardt geistesabwesend. Dann ging er zurück zu den kaputten Fensterscheiben, schüttelte den Kopf und glotzte diese genauso unverhohlen an. Er schaute auf die Uhr. Es war Zeit, nun musste er telefonieren.

Guido an alle Füchse gerichtet, doch Gönnhardt wieder fest im Blick: Ich kann das mit den Fensterscheiben nicht. Ich muss mal telefonieren, lasst euch nicht stören.

Die Füchse hörten nicht richtig hin, aber wenn man Guidos Antworten interpretieren müsste, würden die Satzfetzen ergeben, dass das Unternehmen den Auftrag nicht annehmen wollte. Auch bei den nächsten Anrufen war Guido höchstens ein Bittsteller. Manche Fensterbauer hatten Bedenken hinsichtlich der öffentlichen Wirkung, andere nahmen ganz unverblümt das Wort Boykott in den Mund.

Am Frühstückstisch diskutierten Schorschi und Florentine mittlerweile über Kissen. Bertram saß gedankenversunken dabei. Als es ums Schlafen ging schreckte er ohne ersichtlichen Grund auf. Er verabschiedete sich daraufhin vom Tisch.

Bertram orientierte sich zu Guido, der schaute verträumt durch ein defektes Fenster. Guido beugte sich herunter, anschließend murmelten die beiden einander Gemauschel zu. Sie nickten sich an, dann sah Bertram in Gönnhardts Richtung. Es war Zeit.

Gönnhardt schluckte seinen letzten Bissen herunter, nun schloss auch er sich der Kleingruppe Bertram und Guido an.

Die drei fingen an zu diskutieren. In den Gesprächspausen schauten sie sich verschwörerisch um.

Nachdem die Unterredung beendet war, telefonierte Guido schon wieder. Diesmal immerhin erfolgreicher.