War klar.
Es dauerte ein paar Tage, bis auch die letzten Reporter die Ereignisse verarbeitet, auf Papier gebracht, Korrektur gelesen und veröffentlicht hatten. Nach Qualitätskontrollen und Auslese wurde gedruckt. Guido entging keiner der Artikel. So viel wie in der letzten Zeit hatte er in den letzten sechs Jahren zusammengerechnet nicht gelesen. Die Eindrücke der Reporter deckten sich mit den seinigen. Es tat gut, Zustimmung zu erfahren. Der Feind meines Feindes ist mein Freund, dachte Guido. Jede Zeile seiner Kumpels ging ihm runter wie Öl.
Es war morgens. Die Wölfe waren vollgefressen und schon wieder im Tiefschlaf, als Guido seine Schnellhefter auspackte. Guido hatte fleißig gesammelt. Er legte vor jeden Fuchs eine eigene Artikelsammlung. Dann begann er, wie ein Grundschullehrer zu unterrichten.
Guido fing, mit dem Rücken zu den Füchsen gewandt, an: Schaut euch das mal an. Da steht jeweils, dass sie undankbar sind.
Guido, mittlerweile umgedreht, zu Schorschi: Und dort steht, dass sie verfressen sind und keine Manieren haben.
Guido blätterte den Ordner von Claudette um, erklärte ihr den Artikel, der der Aufmacher der gestrigen Ausgabe vom Karlsruher Morgen war. Überschrift und Foto zeichneten ein düsteres Bild. Es war die Rede von Tieren, die jegliche menschliche Leitkultur ablehnten, Tieren, die nur auf den eigenen Vorteil aus waren. Das Foto zeigte einen der Wölfe, wie er wütend in der Ecke saß und aussah, als ob er gleich die Kamera fressen wollte. Oder vielleicht die Person hinter der Kamera.
Gönnhardt platzte in die Versammlung als Guido Schnellhefter wechsel dich spielte. Er setzte sich an den Frühstückstisch und wurde von seinen plappernden Freunden auf den Stand der Dinge gebracht. Er reihte sich mit seiner Kritik direkt ein, und schlug in die gleiche Kerbe. Gönnhardt, der gerade vom Frühsport gekommen war, hatte eine traurige Entdeckung gemacht. Gönnhardt: Die Schwäne und Enten haben sie auch schon vertrieben. Ihr habt doch mitgekriegt, wie sie die gestern bedroht haben. Eben waren alle weg. Die sind bestimmt in den Zoo umgezogen.
Es folgten die Phasen der Empörung: Lästern, Verwünschen, Schimpfen, Beleidigen. Die Füchse konnten nachvollziehen, dass die Schwäne und Enten geflüchtet waren. Sie selbst waren zwar auch gemein zu den Schwimmvögeln gewesen, haben sie aber nur freundschaftlich geneckt, wie sie sich gegenseitig beteuerten. Die Wölfe hingegen haben regelrecht Jagd auf die Armen gemacht. Einige entkamen nur um Haaresbreite. Halt. Schorschi hatte einen Einspruch: Enten haben keine Haare!
Gönnhardt: Dann eben Federsbreite!
Es war also bestätigt, dass die Wölfe einen rundherum schlechten Eindruck machten. Nicht mal die gutmütigen Enten ertrugen sie. Die Füchse waren ebenfalls bedient. Egal, wo man hinschaute, überall war mindestens ein Wolf. Diese Nähe war erdrückend, es gab kein Entkommen. Die Füchse fanden einfach keinen Rückzugsort.
Lassen wir die letzte Zeit Revue passieren. Sie hatten es anfangs mit Verständnis versucht. Ja, die Wölfe waren größer, deshalb sahen sie es ein, dass der Fuchsbereich kleiner sein durfte. Aber damit gaben sich die großen Raubtiere nicht zufrieden. Je mehr sich die Wölfe eingelebt hatten, desto weiter wurde ihr Revier ausgedehnt. Mittlerweile war das Territorium so klein wie zu Fuchsbauzeiten.
Nicht nur in Sachen Raumaufteilung waren die Wölfe fies. Am ersten Tag feierten die Wölfe ihre Ankunft lautstark und bis in die Nacht. Sei ihnen gegönnt, die Füchse übten sich in Nachsicht. Man konnte glücklicherweise nur einmal einziehen. Beendet wurde die Feier damit, dass die Wölfe zufällig auf ihre Schlafplätze traten und danach kicherten.
Der Trend, der sich am ersten Tag abgezeichnet hatte, war bald der Lauf der Dinge. In diesem gemeinen Stil ging es nämlich nicht nur am darauffolgenden Tag, sondern auch den darauf-darauffolgenden Tagen weiter. Die Wölfe zeigten ihre Überlegenheit durch rücksichtsloses Verhalten.
Es fing beim Frühstück an. Nach bedrohlichem Zähnefletschen war geklärt, wer sich zuerst am Buffet bedienen durfte. Die Füchse mussten sich mit den Resten abfinden. Viel war es nicht, satt wurde man nur, wenn man keinen Hunger hatte. Die Gemeinheiten zogen sich wie ein roter Faden durch die Tageszeiten. Die Wölfe spielten am Fernseher herum, verdeckten mit ihren massigen Körpern die Sonne, blockierten den Putzschrank. Sie machten Witze über die Hüte der Füchse, über die Größe der Füchse und über die Freunde der Füchse. Unsere Helden wurden gemobbt wie Kinder mit roten Haaren, Zahnspangen und Kleidung aus der alten, namensgebenden Sammlung auf dem Pausenhof der Hauptschule im Problembezirk der Großstadt. Juckte es den Wölfen in den Beinen, verlangten sie, dass die Füchse mit ihnen spielten. Statt Fangen und Verstecken nannten sie es Jagen und Erbeuten. Als hätten die körperlichen Vorteile nicht genügt: Während die Wölfe frisch gestärkt vom reichlichen Mahl waren, kämpften die Füchse mit ihrer Erschöpfung. Es gab wenig zu lachen. Versuchten die Füchse, sich abseits auszuruhen, nahmen die Wölfe Fährte auf. Schließlich war Entdecken und Vertreiben ein weiteres lustiges Spiel der Wölfe.
Ja, so war das mit den Wölfen, nicht gerade leicht. Immerhin fühlten sich die Füchse an diesem Tag gut. Über andere zu lästern reinigt die Seele so ähnlich, wie es die Tränen eines Heulkrampfes tun. Guido packte seine Ordner wieder ein, er verabschiedete sich. Er und Claudette hatten viel zu tun. Viel zu viel zu tun.
Nicht nur den Füchsen und Guido machten die Wölfe zu schaffen. Die Wölfe wurden sich ihrer Sache im Schlossbereich generell immer sicherer. Die Hemmschwelle tanzte Limbo – sie sank. Den Wölfen waren normale Gepflogenheiten Schnuppe wie ein abstürzender Stern. Sie benahmen sich dreist wie Urlaubsgäste, die ihre Reise beim Preisausschreiben gewonnen hatten: Sie meckerten das Personal an, sie warfen ihren Müll überall hin, Einrichtung flog aus dem Fenster, Essensreste auf den Boden, nahmen keinerlei Rücksicht auf Umwelt, Mensch und Natur. Jeder, der im Dunstkreis der Wölfe war, bekam sein Fett weg.
Es hatte sich zwar herumgesprochen, dass die Wölfe bösartig und unberechenbar waren, aber der Mensch lernt bekanntlich erst, wenn er selbst fühlt. Statt sich bei den Besuchen im Schlossgarten einfach an die Füchse zu halten, versuchten viele Besucher auch mit den Wölfen zu spielen.
Diese hatten bei den Interviews gute Erfahrungen mit Forderungen gemacht, also wollten sie für ihre Aufmerksamkeit weiterhin entlohnt werden. Ihre Tauschpreise waren Wucher. Da kam manch eine großköpfige Familie in Zahlungsschwierigkeiten, sollte es neben dem Erinnerungsfoto auch eine Streicheleinheit sein. Die Wölfe waren so aufdringliche Geldeintreiber, sie verfolgten manche Menschen bis an die Haustür, um auch sicher die geforderten Geschenke zu bekommen. In voller Stärke oder auch nur zu zweit wussten sie, sich Respekt zu verschaffen. Entsprachen die Dinge nicht den Vorstellungen, kannst du dir ausmalen, was passierte.
Auch sonst waren die Wölfe bissig. Gorra machte beispielsweise mit Vorliebe Kindern Angst. Sie erzählte ständig von einem Aufstand gegen Menschen, von einem Krieg der Tierwelten. Sie flüsterte den Mädchen und Jungen zu, dass sie einen Bürgerkrieg gegen ihre Eltern anzetteln sollen. Die Sache mit den aufständischen Kindern hat sie wohl falsch verstanden.
Alles in allem ziemlich viel Negativität. Du kannst dir also vorstellen, was nach den Ausflügen über die Tiere aus dem Schlossgarten erzählt wurde.
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Dieses Kapitel ist ein Teil des Buches Gönnhardt: Füchse, Kriege, Flüchtlingskrise. Ich hoffe, dass dir die Kostprobe gefallen hat. Ich denke allerdings, dass es mehr Spaß macht, wenn man das Buch als Komplettpaket liest. Was dich trennt? Die Bestellung. Keine Sorge: Falls du das Buch kaufen möchtest, musst du nicht viel Geld ausgeben.
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