Wieso, weshalb, warum.
Natürlich waren die ersten Ankömmlinge Damen und Herren von der Presse. Es ist ja bekannt, dass die sich immer vordrängeln. Den Wölfen sollte der Affentanz vor den Kameras also auch nicht erspart bleiben.
Während Gönnhardt brav Rede und Antwort gestanden hatte, schlang Drohl zwar unbeeindruckt die mitgebrachten Käsepizzen herunter, war aber nicht ganz so ausschweifend in seinen Erzählungen. Drohl stellte mit aufgedrehtem Bass in der Stimme klar: Nur heute reden. Sonst immer Ruhe. Die Reporter lernten den Wolf als Mann weniger Worte kennen. Er beschränkte sich auf einsilbige Antworten, schroffes Nicken und sachtes Kopfschütteln. Kurz: Es lief ein wenig anders ab als bei den Füchsen. Wenn Drohl sich nicht sicher war, verweigerte er die Aussage. Er wollte keine Fehler machen, denn Zmirka passte auf.
Wie es bei Ehemann und Ehefrau so ist, oft wusste sie es besser als er. Zmirka platzte immer wieder in die unterschiedlichen Gespräche rein. Sie schrie von hinter der Kamera, zitierte Drohl zu sich, woraufhin Drohl wiederholte, was er zu hören bekam. Das ging so, bis sie eine gute Idee hatte.
Nachdem ihm Zmirka etwas ins Ohr geflüstert hatte, wurde der Spieß umgedreht. Drohl stellte jetzt Fragen: Und was ist dir das wert? Drohl fing an, Dinge gegen Antworten zu tauschen. Man könnte es Erpressung nennen. Drohl formulierte seine/ihre Bedingungen bei einer Frage über das Leben in der Wildnis erstaunlich detailliert: Du mir große Bett, Melonen ohne Kerne und ein Sonnenblumen geben. Ich dir Antwort geben, sonst nix.
Panik brach aus. Es wurde wild telefoniert, Journalisten gingen aus und ein. Verkehrschaos im Karlsruher Schloss, denn: Wer nichts zum Handeln hatte, musste gehen. Es wurde somit im Laufe des Tages eingekauft, versprochen, besorgt und versichert. Stockend erfuhren die Menschen die Beweggründe der Wölfe. Drohl erklärte nach den notwendigen Tauschvorgängen, dass sie neidisch auf das füchsische Lotterleben waren. Es blieb ihnen nicht verborgen, dass die Füchse nicht mehr im Wald hausten. Bei einem Raubzug durch die Vorgärten des Stadtteils Mühlburg, kamen sie auf den Trichter. Und wurden eifersüchtig. Schnell war ausgemacht, dass es ihnen natürlich zustand, besser zu leben als die Füchse.
Die Füchse saßen währenddessen geknickt unter einer großen Eiche, die Hüte tief in die Gesichter gezogen. Für sie interessierte sich heute niemand. Gönnhardt war gekränkt. Waren die Wölfe so viel spannender als er? Wenn Gönnhardt gewusst hätte, was sich derweil im Ballsaal abspielte, wäre seine Laune gestiegen wie ein Heißluftballon ohne Sandsäcke.
Die Wölfe benahmen sich … grenzwertig. Mittlerweile wurde Drohl von seinem Rudel unterstützt. Sie waren an seine Seite gedrängt, um an den Geschäftsbeziehungen teilhaben zu können. Nur Gorra verharrte in ihrer Ecke. Das war schließlich der beste Platz, um von den Menschen in keinen Hinterhalt gelockt werden zu können.
So saßen gelassene Wölfe gehetzten Reportern gegenüber. Es war die wohl ungewöhnlichste Pressekonferenz aller Zeiten. Keiner der Wölfe war sich seiner Außenwirkung bewusst. Sie gaben sich so, wie sie waren: laut, unsympathisch, böse. Genauso wenig Geduld und Sorgfalt wie für ihre Antworten brachten die Wölfe für die Mitbringsel auf. Die Gastgeschenke wurden sofort nach der Übergabe in zwei Haufen eingeteilt. Die nützlichen Sachen durften vor den Wölfen liegen bleiben. Alles, was sie nicht wollten, wurde durch wilde Kopfbewegungen im Raum verteilt.
Es wurden nicht nur politisch-unkorrekte und menschenverachtende Zitate aufgeschrieben, sondern auch unschmeichelhafte Fotos geschossen. Die Fotografen schienen von der aggressiven Stimmung aufgestachelt. Alles, was in einem schlechten Licht stand, wurde geknipst. Niemand machte sich die Mühe, die Wölfe professionell auszuleuchten. Die Chance, dass die hochpreisigen Leinwände und teuren Scheinwerfer von abgelehnten Geschenken getroffen wurden, war zu groß. Es fanden sich viele interessante Motive. Beispielsweise die mitgebrachten Hüte, die verschmäht wurden und vor, auf oder neben dem Mülleimer lagen. Zmirka war empört, als eine Dame vorschlug, ihr eine Bommelmütze aufzusetzen: Wir sind nicht Unterrasse wie Fuchs. Ebenfalls geknipst wurden die zerfetzten Kissen, die Guido als Schlafgelegenheit herrichtete, die zwar 300 Jahre Schloss, aber keine 300 Sekunden Wolfszahn überstanden hatten, weil sie zu weichlich waren.
Den schlechtesten Eindruck machte überraschenderweise der Wolf, der sich zurückgezogen hatte und nichts verlangte. Gorra saß wie eine Irre in ihrer Ecke. Sie heulte jeden Besucher zur Begrüßung an. Vor Schreck zuckende Menschenkörper komplettierten daher das verrückte Bild im Schloss. Mit schrägem Kopf fixierte sie im Halbsekundentakt jeden der Anwesenden. Eine nach dem Anderen. Und dann wieder von vorne. Sie wollte vorbereitet sein und ihre Feinde kennen, wenn sie angegriffen wurde. Gorra schätzte, dass sie drei Schreiberlinge und vier Knipser in den Tod reißen konnte, bevor sie heldenhaft ihren Verletzungen erliegen würde. Auf den Angriff konnte sie lange warten, Gorras Kopfkino stellte sich als Hirngespinst heraus. Sie schob einen Film, denn die Presseleute konnten nicht pazifistischer sein. Dennoch sollte der Tag nicht ohne Blutfließen enden. Gorra war jedoch unbeteiligt.
Ein Neuankömmling machte einen schweren Fehler. Es war ein Verzweifelter, der versuchte seinen Durchbruch zu erzwingen. Er wollte nicht zurück in seinen alten Job. Metzgereifachangestellter war einfach nichts für ihn. Aufgeregt wuselte er durch den Raum und verlor die Realität hinter der Linse seiner Kamera aus den Augen. Er dachte wohl, dass der wilde Wolf ein ausgehungertes Model war. Der Wolf sollte seinen Kopf drehen, damit sein Profil vor dem bunten Hintergrund zur Geltung kam. Der Mann packte Hammak an der Schnauze, er rückte sein Gesicht in den rechten Winkel. Was geschah? Klar: Die Fragestunde fand ein abruptes Ende, als Hammak dem Blogger, ja dem Blogger, herzhaft in die Hand biss.
Schreiend rannte der Mann aus dem Zimmer. Die Kamera baumelte an seiner Schulter von links nach rechts und rechts nach links wie bei einem Newtonpendel. Der Blogger: Ich verbluuute! Tollwut! Tetanus! Nie wieder lebende Tiere, ich mach die Prüfung zum Schlachter!
Der Schock war kurz, die journalistische Riege war schließlich schlagfertig. Es folgte ein unruhiges Mauscheln. Es lagen große Worte in der Luft. Solidarität, Pressekodex, Integrität. Hätten die Anwesenden gewusst, dass der Blog karlsruher-luegenpresse-bekaempfen-jetzt-oder-nie.aluhuthotspot.de hieß, wäre die Reaktion vielleicht eine andere gewesen.
Unwissend entschieden sie sich, für ihren Kollegen einzustehen. Der Herr, der jetzt in der ersten Reihe stand, blickte ernst durch seine Brille, auf deren Gläser Reste seiner Willkommensgeschenke (Bienenstich und Linzer Torte) klebten: Wir haben uns entschlossen, wir brechen das jetzt hier kollektiv ab.
Er bewegte sich jedoch nicht. Er hatte noch einen Trumpf in der Hinterhand. Nein, in der Hinterhand war er doch nicht. In der Vorhand? Nee. Er drehte sich orientierungslos um die eigene Achse und durchsuchte jede seiner Taschen. Der Brillenträger tastete schließlich die Hemdtasche ab. Dort, zwischen Kugelschreiber und Bleistift, war sein Ass versteckt. Er hielt den Tieren seinen Presseausweis hin: Das hier ist bei uns Menschen viel wert. Damit sind Rechte verbunden, die wir auch einfordern.
Er war gewohnt, dass dieses Stück Papier den Gegenüber einschüchterte. Die Wölfe reagierten überhaupt nicht schuldig-ertappt. Zmirka war die Erste, dann brachen auch die anderen in schallendes Gelächter aus. Durch die hohen, hallenden Decken fühlten sich die Wölfe mehrfach bestätigt. Hammak schnappte nach dem Zettel, doch der Mann sicherte sein Heiligtum blitzschnell.
Erheitert baten die Wölfe ihre Gäste hinaus: Sie schwärmten aus und bissen in die Luft. Die Menschen waren aufgescheucht wie Gänse, die Angst hatten vom Fuchs gestohlen zu werden. Gorra wartete regungslos in ihrer Ecke. Das musste das Ablenkungsmanöver vor der großen Offensive sein. Ihr Angriff, möglicherweise war es auch Verteidigung, musste jedoch vertagt werden. Gorra war binnen Sekunden außer Gefecht gesetzt, ihr wurde schwindelig, weil sie jeden der umher eilenden Menschen im Blick haben wollte.
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