Gönnhardt: Kapitel 30

Ich bin daaa.

Tock.

Tock.

Verschlafen hob Gönnhardt den Kopf. War da was? Hatte er nur geträumt?

In kürzeren Abständen: Tock. Tock. Tock,

Er reckte den Hals, wollte herausfinden, woher das Geräusch kam. Er schaute nach oben, nach links, nach re… AAAAH! Gönnhardt entdeckte eine verschwommene Fratze hinter einer beschlagenen Glasscheibe. Der Arme! Das war nämlich genau so ein schrecklicher Anblick, wie du ihn dir vorstellst.

Gönnhardt war in Schockstarre. Eine Hand wischte Spritzwasser weg.

Und dann entlud sich Gönnhardts Anspannung in einem verbitterten GRRR.

Nachdem Anne Gönnhardt aus seinem Mittagsschlaf gerissen hatte, weckte Gönnhardt die anderen Füchse aus ihren jeweiligen Nickerchen. Der Grunzlaut war zwar auch nicht angenehm, doch nichts im Vergleich mit Gönnhardts Todesängsten.

Als Anne im großen Saal stand, gab es daher erstmal eine Standpauke von Gönnhardt: Willst du dass ich den Herztod sterbe? Warum bist du nicht einfach reingekommen?

Anne: Ich wollte euch nicht wecken.

Diese Antwort war ebenso absurd wie liebenswürdig. Gönnhardt musste lachen. Wie jeden Donnerstag kam Anne auch heute als moralische Unterstützung. Sie tauchte immer auf, nachdem sie Tim von der Kita abgeholt hatte. Mal kam mehr, mal weniger dazwischen, doch sie erreichten das Schloss stets pünktlich. Spätestens einen Wimpernschlag bevor die Demonstration begann. Daran hätte Gönnhardt ja auch denken können, oder?

Als Schorschi Tim entdeckte, hellte sein Gesicht zum ersten mal an diesem Tag auf. Tim sorgte immer für gute Unterhaltung. Er schaffte es sogar, donnerstags die Laune zu heben. Heute war die Freude aufgrund der Kombination von angekündigter Demonstration und anbahnendem Donnerwetter besonders groß. Schorschi brauchte nicht lange, um wieder glücklich zu sein. Tim organisierte nämlich umgehend eine Portion Taba in seiner unnachahmlich charmanten Art und Weise.

Nachdem sie ausgetrunken hatten, versuchten die Säufer ihr Glück draußen. Es war ja noch trocken und so ein Zuckerrausch baut sich am besten rennend ab. Anne packte ihren Sohn in Regenjacke und Regenmütze, Schorschi musste sich mit seinem Fell und einem Klaps auf den Hintern begnügen.

Das vorangehende Gespräch war für Außenstehende zu wirr, um entschlüsseln zu können, wessen Idee dieser wilde Ritt war. Es spielt auch keine Rolle. Feststeht, dass Tim fest saß. Nämlich auf dem Rücken von Schorschi. Er hatte schon oft lautstark davon geträumt, jetzt durfte er ausgerechnet in diesem verlassenen Schlossgarten endlich auf einem Fuchs reiten. Wozu Freude und Zucker einen Fuchs verleiten konnten! Nie hätte sich Schorschi träumen lassen, mal den Packesel für einen Menschen zu spielen.

Tim: HÜÜÜJA! Seller, Sorsi, Seller!

Aber schneller ging nicht. Der dicke Schorschi war einfach kein Sportler. Sein Tempo war so langsam, dass Tim seiner Mutter mit zwei Händen zuwinken konnte.

Und frech die Zunge rausstrecken konnte.

Und immer noch zu sehen war.

Nicht nur Anne war von den Freudenschreien und Anfeuerungsrufen angelockt worden. Man hörte Astblätter rascheln und Grashalme knicken. Da trieb sich doch noch jemand im Schlossgarten herum?! In einer Geschwindigkeit, die Schorschis Galopp wie Zeitlupe aussehen ließ, rannte ein Mann auf Ross und Reiter zu.

Er fuchtelte wild mit den Armen. Als er sich in Hörweite wähnte, ergänzte er die Gestikulation. Dann schrie er: Hier, hier!

Gefahr in Verzug! Der Mutterinstinkt setzte ein. Sie brauchte einen Satz, um von Fenster zu Tür zu kommen. Anne legte aus dem Stand einen Vollsprint hin, der ihr bei den Paralympics bestimmt eine Bronzemedaille beschert hätte. Anschließend segelte sie durch die Luft wie ein Weitspringer. Sie hatte abgehoben, bevor der Mann abdrücken konnte. Goldrichtig! Punktlandung! Sie schaffte es, als menschlicher, schwarzer Balken Schäden zu verhindern.

Die Schnappschüsse gingen zwar nicht ins Leere, sie waren aber unbrauchbar. Der Plan war aufgegangen. Anne konnte mit ihrer Jacke die Linse der Kamera blockieren. Sie wollte auf keinen Fall, dass Tim mit den Füchsen auf Klatschseiten oder Tratschblättern abgebildet wurde. Die Hassbriefe, die sie derzeit bekam waren schon genug.

Der Blogger wollte diskutieren: Das ist das Foto, das meine Karriere retten könnte. Ich kann damit groß rauskommen.

Nicht mit Anne!

Anne: Ich vermarkte mein Kind nicht. Das ist unethisch und verletzt die Selbstbestimmung eines Lebewesens, das sich dem Umfang seiner Entscheidungen nicht bewusst ist.

Der gute Mann konnte darauf nicht viel antworten, er war sprachlos.

Ein Seufzen beendete das Gespräch. Ein Blogger ist eben kein hartnäckiger Reporter. Was fällt einem normalen Menschen zu so einer Ansage schon ein? Mit dieser Furie wollte sich der Blogger nicht anlegen. Demonstrativ schraubte er den Deckel auf das Objektiv. Der Herr mit der Kamera und dem Blog zog murrend von Dannen. Er machte sich wieder auf die Suche nach den Schwänen, das waren sowieso viel schönere Tiere als Füchse. Es sollte jedoch nicht sein Tag werden. Die Motivsuche sollte ergebnislos enden. Die Vögel waren unauffindbar, sie trauten dem Wetter einfach nicht.

Die Lage um Anne entspannte sich schnell. Ausgepowert nach so viel Bewegung brauchten die beiden kleinen Körper von Schorschi und Tim eine Pause. Sie legten sich in das kalte Gras. Prompt fielen die ersten Tropfen.

Anne: Tiiim, kommst du bitte mit ins Schloss. Ich will nicht, dass du krank wirst.

Gönnhardt war von der Fürsorge angesteckt: Schorschi, komm her, ich will nicht, dass du schlank wirst. Entweder ein Freudscher oder ein Freundschafts-Versprecher, man weiß es nicht.

Tim und Schorschi suchten sich drinnen ein Plätzchen. Sie aßen, erholten sich vom Essen und redeten. Die beiden saßen bis zu Dämmerung nebeneinander und sinnierten über den Sinn des Lebens. Schorschi: Tim, meinst du die Schwäne schmecken lecker?

Tim nach einer Gedenkminute, in der er unzählige Rezepte vor dem inneren Auge kochte: Bestimmt, Nuggets ist fein.

Nicht jeder war so gedankenverloren wie der frittierende Junge. Der Rest des Schlosses war mental in der gegenwärtigen Situation. Die anderen Füchse standen mit den Köpfen in den Nacken am Fenster. Erst waren Blitze zu sehen, dann Donner zu hören, dann Tropfen zu spüren. Dann machte Anne das Fenster wieder zu. Der Regen hatte ein gewaltiges Gewitter mitgebracht.

Es goss in Strömen, als Marc seinen ersten Spruch abließ. Anne zelebrierte ihre Schadenfreude. Sie verhöhnte die Demonstranten durch die Scheibe und tanzte einen Regentanz.

Aufgrund der schlechten Wetterlage fand sich an diesem Donnerstag nur ein kleines Grüppchen, das sich erweichen und durchweichen ließ. Neben dem Rädelsführer Marc und seiner neuen Flamme kam etwa eine Handvoll Fuchsgegner. Eines muss man ihnen lassen: Sie dachten mit, die Plakate waren laminiert. Die Tropfen perlten an den Schildern genauso ab, wie die Schmährufe an den Füchsen. Durch Regen und Donner gab es kein Durchdringen für die Schallwellen.

***

Dieses Kapitel ist ein Teil des Buches Gönnhardt: Füchse, Kriege, Flüchtlingskrise. Ich hoffe, dass dir die Kostprobe gefallen hat. Ich denke allerdings, dass es mehr Spaß macht, wenn man das Buch als Komplettpaket liest. Was dich trennt? Die Bestellung. Keine Sorge: Falls du das Buch kaufen möchtest, musst du nicht viel Geld ausgeben.

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