Gönnhardt: Kapitel 15

Ehekrach.

Gönnhardt ließ die letzten Tage Revue passieren. Wenn er keine Reporter und Journalisten vor der Schnauze hatte, saß ein kleiner Mensch mit laufender Nase neben ihm, der bei jeder zweiten Szene etwas wissen wollte. Das neue Leben hatte er sich anders vorgestellt.

Gönnhardt fühlte sich meistens unwohl bei dem Gedanken, den kleinen König aus seinem Reich vertrieben zu haben. In diesem Moment fand Gönnhardt, dass es Tim gerecht geschah, dass er woanders schlafen musste. So aufdringlich wie der kleine Mann heute wieder war.

Es kam Gönnhardt so vor, als würde Anne Tim bei jeder Gelegenheit anschleppen.

Das stimmte. Anne hatte ein schlechtes Gewissen gegenüber ihrem Erstgeborenen. Zurecht, oder nicht? Sie holte ihn zwar so oft es ging nach Hause, aber er verbrachte dennoch viel Zeit bei seinen Großeltern. Eine Rabenmutter war sie nicht, aber zumindest eine Krähenmama. Statt sich 24 Stunden um ihren Sohn zu kümmern, lebte sie Anne mit Gönnhardt wie altes Eheleute. Das ungleiche Paar ergab sich in die Art Harmonie, in der man die Macken und Gegenwart des anderen selten genießt, aber meistens erträgt. Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel, die Samen für einen Streit waren also gesät.

Mittags saßen Tim und Gönnhardt im Wohnzimmer. Tim spielte endlich mit einem seiner Geschenke. Gönnhardt gesellte sich zu seinem Freund. Er schaute zu und nicht fern, weil Anne ihm zuvor Angst vor viereckigen Augen gemacht hatte. Die neuen Spielsachen gehörten scheinbar bereits zu diesem Zeitpunkt zum alten Eisen. Tim ging damit um, als wäre es der letzte Dreck. Mit ausholender Bewegung schleuderte er seinen Lerncomputer unter den Couchtisch und grinste Gönnhardt mit ausgestreckten Zeigefingern bedrohlich an. Wortlos, flink und ohne Rücksicht auf Verluste kletterte der kleine Junge auf Gönnhardts Rücken. Tim wollte reiten. Nun muss man in Betracht ziehen, dass Reiter mindestens genauso viel wiegt wie Ross. Gönnhardt hatte nicht grundlos Angst um sein Rückgrat. Er warf den Knaben ab wie der Bulle eine betrunkene Kneipenbekanntschaft beim Bullenreiten in der Kneipe. Nicht genug, dass Tim in hohem Bogen durch die Luft flog. Tim landete, indem er mit seinem Dickschädel an die Wand schlug. Als Anne ins Zimmer hetzte, stand der Fuchs mit gefletschten Zähnen vor dem weinenden Kind, weil er sich gerade unter Schmerzen den dritten Wirbel von unten einrenkte.

Tim hatte keine Gehirnerschütterung, da war einfach zu wenig zum Erschüttern. Er erlitt keine Platzwunde, nicht mal eine Beule. Gönnhardt wusste, dass der Bub heil war. Er hatte ihn nämlich kurz nach dessen Flug abgeschleckt, um sicher zu gehen. Das Kind war trotzdem in den Brunnen gefallen.

Anne zickte, woraufhin Gönnhardt pflaumte. Tim vollendete dieses schlechtgelaunte Gespann, indem er quengelte, weil Anne in ihrer Wut seinen Mittagsschlaf vergaß. Das waren die drei Zutaten des Gemisches, das zu dicker Luft führen sollte.

Doch erst die Arbeit, dann das Verprügeln.

Als Tims vierer Schwall Krokodilstränen des Tages auf dem Arm seiner Maaamaaa, wäääh, Maaamaaa getrocknet waren, bekamen sie auch schon wieder Besuch.

Gönnhardt war fleißig gewesen. Viele Menschen hatten sich bereits an dem verfressenen, fernsehsüchtigen Fuchs mit schlechtem Modegeschmack sattgesehen. Für die auflagenstarken Blätter war Gönnhardt daher kein Umsatztreiber mehr. Ihm war es nicht bewusst, doch er wurde zu den unbedeutenden Publikationen durchgereicht. Die Sorte von Papierverschwendung, die jedes Wochenende kostenlos verteilt wird, dann vor der Haustüre gammelt, bis sich jemand erbarmt, die Mülltonne zu füttern. Man kann nur hoffen, dass keine ehemaligen Weihnachtsbäume für diese Zwecke missbraucht wurden. Das wäre Demütigung hoch vier. Den Stress dieser Treffen hätte Gönnhardt sich bestimmt gerne erspart, aber so war es nun mal. Selbst schuld, wenn man nie liest, sondern nur glotzt.

Die Dame mit Bleistift, Notizblock und dicker Lesebrille war sich sicher, dass Anne einen Scherz machte, als sie am Vortag von Gönnhardts Wunsch nach Käsepizza erzählte. Mit ganz leeren Händen wollte die gute Frau jedoch nicht aufkreuzen. Ihr Glück! Bevor sie ihre Brille mit dem dicken, schwarzen Rand, die sie 10 Jahre älter machte, abermals zurecht rücken konnte, überreichte sie Gönnhardt einen Geschenkkorb mit gesunden Leckereien. Anne nahm das Obst stellvertretend entgegen. Sie platzierte den Korb auf dem Couchtisch, stibitzte einen Apfel und eine Birne für Tim und verabschiedete sich in die Küche. Heute würde sie Gönnhardts Gefasel über seinen dummen Hut und seine Verfressenheit nicht ertragen können.

Gönnhardt nahm der Frau vom Karlsruher Morgen, die jetzt ganz nah rutschte, die falsche Gage nicht übel. Er hatte im Kühlschrank noch genug Pizza. Bei dem Gedanken an den Kühlschrank fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Ich bin ja hungrig.

Gönnhardt: Kann ich das Essen oder ist das Kunst?

Die Dame vom Karlsruher Morgen hielt ihm eine auf Hochglanz polierte Frucht entgegen: Da ist gar nichts künstlich, mein lieber Bursche. Das sind Naturschönheiten! Die sind nicht mal gespritzt, die kannst du einfach so essen.

Während er Fragen beantwortete, verschlang der Fuchs den ersten Apfel aus dem stattlich gefüllten Flechtkorb. Gesitteter schnabulierten Anne und Tim im gleichen Moment und unweit entfernt Birne. Mutter und Sohn saßen nun doch im Wohnzimmer, da Tim Gönnhardt vermisste. Tim war vorgegangen, Anne kam wenige Minuten später nach, weil Anne Tim vermisste. Das Interview war ein Hingucker. Die Reporterin kritzelte manisch auf ihren Block aus Recyclingpapier, sie konnte ihren Ekel vor Gönnhardts Manieren kaum verbergen. Anne konnte gerade noch Pfui! Pfui! Pfui! lesen, bevor mit Schmackes umgeblättert wurde, um dem Unmut weiteren Ausdruck zu verleihen. Es lässt sich festhalten, dass die saftigen Früchte dem schmatzenden Fuchs geschmeckt, aber nicht gemundet haben.

Frau Reporterin musste ihr Brillenputztuch schon wieder aus der Hosentasche holen, um Spritzer und Stücke von den Gläsern zu entfernen. Bei jeder Bewegung stöhnte sie, als hätte sie den Muskelkater eines absolvierten Triathlons. Gönnhardt ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, der Korb war nämlich noch nicht leer. Er hatte bereits zwei Äpfel mit Stielen, Kernen und Gehäuse sowie drei Birnen mit Stielen, Kernen und Gehäuse verspeist. Zu guter Letzt gab es nun die Trauben mit Stielen, Kernen und ohne Gehäuse. Dafür mit Aufkleber vom Feinkosthandel Hummert.

Gönnhardt verschluckte sich, hustete, bekam zu wenig Luft.

Gönnhardt: Chr-Chr-Chr!

In Zeitlupe würgte er den Sticker heraus, wie es Katzen mit einem Haarbüschel machen. Die Reporterin musste prusten, Anne lachte auf, Tim grinste. Hätte Gönnhardt auf und um dem Kopf eine Glatze, er wäre rot angelaufen. Erst wegen Atemnot, dann wegen Scham. Und schließlich vor Wut.

Gönnhardt wollte sich nicht anmerken lassen, dass er aufgebracht war. Ganz der Profi beantwortete er jede Frage mit einem seiner auswendig gelernten Referate. Nachdem die Reporterin noch ein paar Fotos geknipst hatte und gegangen war, konnte er seinem Frust endlich Luft machen. In der Wohnung krachte es erst, dann folgte ein Donnerwetter.

Gönnhardt: Du hast mich ausgelacht.

Anne: Ich habe nicht über dich, sondern mit dir gelacht.

Gönnhardt: Ich habe nicht mal geschmunzelt. Ich habe gehustet, weil ich mich verschluckt habe.

Anne: Aber du hättest mitgelacht, wenn du dich nicht verschluckt hättest.

Gönnhardt: Ich hätte sterben können. Von wegen für Tierleben! Ersticken ist nicht schön.

Anne zückte die Waffen einer Frau: Bei Streits ist Angriff ihre beste Verteidigung. Sie ließ sich gar nicht erst herab, den eigentlichen Vorwurf zu entkräften. Schön? Das war ein gutes Stichwort. Anne ging in die Offensive.

Anne: Schön ist auch nicht, dass du deinen Müll überall herumliegen lässt und ich deine Putzfrau spielen darf.

Gönnhardt: Ich habe gar keine Zeit für Putzen, ich spiele ständig mit Tim!

Anne warf Gönnhardt vor, dass er das Wohnzimmer in eine Müllhalde verwandelt. Gönnhardt schoss mit der Behauptung, dass Anne ihn als Haustier zum Angeben betrachtet, zurück. Es folgten Worte und Widerworte, Anschuldigungen und Rückweisungen. Die Zusammenfassung ist: Anne sagt Gönnhardt ist Dieses, Gönnhardt sagt Anne ist Jenes.

Und so stritten die beiden solange, bis Anne Tim zu den Großeltern brachte.

Und dann stritten sie weiter, nachdem Anne Tim zu den Großeltern gebracht hatte.

***

Dieses Kapitel ist ein Teil des Buches Gönnhardt: Füchse, Kriege, Flüchtlingskrise. Ich hoffe, dass dir die Kostprobe gefallen hat. Ich denke allerdings, dass es mehr Spaß macht, wenn man das Buch als Komplettpaket liest. Was dich trennt? Die Bestellung. Keine Sorge: Falls du das Buch kaufen möchtest, musst du nicht viel Geld ausgeben.

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