5. September, 18 Uhr 12

Mein Tagesplan ist gähnend wie eine Katze in der Sonne, so leer ist er. Ich habe Anna mittags hängen lassen. Sie wollte ins Schwimmbad, hat mich eingeladen. Ich habe mit einer billigen Ausrede abgesagt, weil ich dachte, dass heute Mittag der große Polizeieinsatz ist. Fehlanzeige wie bei einer Falschaussage. Auch heute gab es keine Neuigkeiten. Die Zeitungen habe ich sogar mehrfach studiert. Ich hatte solch zittrige Schweißhände, dass ich Knitter und Flecken hinterlassen habe. Kommt gar nicht gut, wenn man die Ware noch verkaufen muss. Vorgelesene Zeitungen mögen die wenigsten. Es hat sich natürlich prompt jemand beschwert. Dabei ist der gar kein typischer Meckersack, normalerweise ist er still und sachlich. Heute ist ihm der Kragen geplatzt. Ich kann es nachvollziehen. Ich kaufe aus diesem Grund auch ungern Sachen in Läden, sondern bestelle sie lieber. Wenn schon den Neupreis bezahlen, dann auch Neuware erhalten. Wer weiß, welche Fettfinger die Produkte in den Geschäften schon begrapscht haben. Im Internet hat man zumindest die Illusion, dass es keine Versandrückläufer sind, die ausgiebig getestet wurden.

Naja, zurück zu dem Alten, der hat sich jedenfalls richtig aufgeregt. Es war natürlich nicht das letzte Exemplar vom Karlsruher Morgen, ich wollte die gebrauchte Ausgabe nur schnell loswerden. Also hat er halt seine brandneue Zeitung bekommen. Die hätte er zwar auch mit nett fragen gekriegt, aber manchmal muss man schreien, ich verstehe das schon.

Bei mir ist das so: Wenn ich ausflippe fühle ich mir kurz befreit. So ein wenig rumschreien löst Verkrampfungen wie eine Massage. Wenn der Ausraster gerechtfertigt war, bin ich tatsächlich stolz auf mich. Da denk ich mir: Der oder dem hab ich es jetzt aber gezeigt. Stille Wasser sind stürmisch. Die unberechtigten Brüllanfälle sind mir im Nachhinein natürlich super peinlich. Hatte ich zum Glück schon länger nicht mehr. Bräuchte ich nie wieder.

Die kleine Auseinandersetzung war das Spektakel des Tages. Ansonsten fühle ich wie jemand, dem der Bus vor der Nase weggefahren ist. Diese Warterei… Aber ich fühle mich noch elender. Ich weiß nicht, ob überhaupt ein Bus kommt. Komm schon! Ich will endlich wissen, ob die Leiche gefunden wurde!

Ich muss mir so langsam auch Gedanken machen, wie ich verfahre, wenn einfach nichts passiert. Ich kann nicht bis in die Ewigkeit in Ungewissheit leben. Das ist keine gute Grundlage, eher ein Spiel mit dem Feuer. Wie wenn man seine Bankkarte nicht mehr findet, aber zu faul ist, sie zu sperren oder die Hoffnung hat, dass sie doch noch auftaucht.

Irgendwann muss ich die Sache abhaken wie eine richtige Lösung. Aber wann?