5. November, 21 Uhr 38

Als ich vorhin meinen abgemagerten Geldbeutel angeschaut habe, kam mir die Idee. Regelst einfach das mit dem Maas. Das Gespräch dauerte nicht lange.

Ich: „Die Auszeit hat mir richtig gut getan. Ich bin jetzt wieder voll auf dem Dampfer und motiviert. Soll ich morgen die Frühschicht machen?“

Er: „Ganz schlecht, Anders, ganz schlecht. Derzeit haben wir Flaute. Die Kollegen haben sich auf die freien Schichten gestürzt. Wissense, die haben Familie und brauchen Geld für Weihnachten.“ Wir beendeten den Anruf mit ein paar warmen Worten. Das ein Hoffnungsfunke, unterm Strich dennoch ein Dämpfer. Mein finanzieller Spielraum wird so langsam zum Taschenbillard.

Aber ich wollte mich nicht unterkriegen lassen wie eine Boje. Damit dieser Tag einen Sinn hatte, bekommt der Suizidkönig wenigstens etwas zu tun.

Ich besorgte mir Nachschub. Der Einkauf lief wie erwartet. Die Besetzung hatte gewechselt. Ich war nicht so aufgeregt, wie befürchtet. Der Ablauf war wieder: einer mustert, einer nimmt die Kohle, einer übergibt die Ware.

Den mit dem Geld habe ich berührt, das weiß ich.

Auf dem Heimweg plante ich den restlichen Abend: Zeug testen, dann letzten Lümmel in der Reihe in die ewigen Jagdgründe schicken.

Ich ging gerade an dem letzten Kopierladen – in der Straße hat es aus einem unerfindlichen Grund drei oder vier davon – vorbei, als ich ein paar bekannte Gesichter entdeckte. Ich schaute extra weg. Vergeblich. Die Freundinnen von Anna kamen genau in dem Moment aus dem Copyshop, als ich den Eingang passierte. Ich ärgerte mich. Wäre ich nur ein bisschen schneller gegangen, hätte ich Veronika und die andere nicht getroffen.

Die Mädels waren mit Ordnern gepackt. Wir begrüßten uns, hielten ein wenig Smalltalk. Dann mir nichts besseres einfiel, wollte ich sie überreden heute mit mir Party zu machen. Sie waren nicht begeistert.

Hexenhaus? Veronika hämisch: „Nee, lieber nicht.“

Project 57? Veronika mit gerümpfter Nase: „Das ist doch voll assig.“

Bärenkeller? Da schauten sie sich mit offenen Mündern an, taten übertrieben schockiert wie Schauspieler im Theater.

Dann eben nicht.

Zuhause wurden direkt die ersten Linien aufgesaugt.

Jetzt bin ich in Feierlaune. Der Suizidkönig darf ruhen. Ich werde Anna einfach überreden, was zu unternehmen. Wenn ich frisch geduscht und angezogen hochkomme, wird sie bestimmt von meiner Aufbruchstimmung angesteckt. Die Sache müsste geritzt sein wie die Arme von depressiven Mädchen.