20. Dezember, 17 Uhr 42

Die Mutter von Anna konnte mir gestern nicht mehr viel sagen, nachdem sie die beiden Sätze heraus bekam, brach sie in Tränen aus. Ich glaube, das Geräusch, das sie kurz innehalten ließ, war ein Leichensack, der zugezogen wurde. Ich hätte sie gerne umarmt, aber ich konnte nicht. Ich ging runter. Kommentarlos, ohne irgendetwas zu sagen.

Schockstarre für ein paar Stunden. Ich dachte an Anna, dachte an uns. Dann sah ich das Gesicht ihrer Mutter vor mir.

Ich nahm mir vor, für Gerechtigkeit zu sorgen. Auf die Kuscheljustiz dieses Landes kann man sich sowieso nicht verlassen. Ich würde das erledigen, versprach ich Frau Behrens im Geiste. Dafür musste ich erfahren, was passiert ist. Hoffentlich war es keine blutige Tat, kein unappetitlicher Mord, sondern ein schneller Tod, so kurz und schmerzlos, wie man es jedem wünscht, der nicht leiden soll.

Es war später Abend, als ich aus meiner Lethargie fand. Ich wollte Informationen beschaffen. Zurück am Fenster war die Straße wie immer. Der Krankenwagen war abgefahren. Als wäre nichts passiert sind Radfahrer an der Stelle vorbei geradelt, haben sich Autofahrer Parkplätze weggeschnappt. Von den Sanitätern würde ich also nichts erfahren, aber Annas Mutter musste doch etwas wissen.

Ich habe mir die Knöchel wund geklopft und den Griff beinahe abgerissen. Alles Sturmklingeln an Annas Wohnungstür war vergebens. Die Tür blieb verschlossen. Als sich der erste Nachbar im hallenden Hausflur beschwert hat, habe ich aufgegeben. Was hier los ist? Ich brüllte in die Dunkelheit: „Hier ist vieles los, du alter Penner.“

Zurück bei mir: Wut und Trauer.

Dann spürte ich nichts mehr.