18. Oktober, 20 Uhr 16

Ich wurde endlich entlassen. Ärzte und Krankenschwestern waren begeistert von meiner Heilung. Blaue Flecken sind kaum noch da. Sollte das X genauso gut verheilen wie meine anderen Wunden, dürfte binnen weniger Tage nur noch zu erahnen sein, dass da mal etwas war. Dann kann ich wieder im Trubel der Stadt untertauchen. Auf die Frage, ob ich denn Superkräfte habe, konnte ich nur antworten, dass ich es hoffe.

Viel länger hätte ich es in diesem Zimmer auch nicht ausgehalten, der Zimmernachbar war zu hart. Wenn jemand so viel hat, wird einem wieder bewusst, wie armselig man doch selbst ist. Die Kohle von dem Überfall wäre nicht schlecht gewesen, dann hätte ich es dem alten Sack zeigen können.

Vermeintlich in Freiheit stand ich weiter unter Beobachtung.

Anna lag mir auf dem ganzen Heimweg in den Ohren. Sie hat darauf bestanden, mich zu pflegen. Bei ihr. Klang ganz verlockend, also ließ ich mich um den Finger wickeln. Die Realität entsprach nicht meiner Wunschvorstellung. Anstatt die Füße massiert, auf Zuruf Essen serviert zu bekommen, befinde ich mich auf einer Pflegestation Stufe 3. Im 15-Minuten-Takt werde ich gefragt, ob alles in Ordnung ist. Sie schlägt die Decke jede halbe Stunde aus und führt mit dem Fenster eine Choreografie durch. Du brauchst viel frische Luft. Oh, hier ist es aber luftig, nicht dass du dich verkühlst.

Wenn sie wüsste, wie wenig ich jemanden brauche, der sich um mich kümmert…

Da ich wenigstens ein Stündchen Ruhe wollte, und ich sie mit irgendetwas beschäftigen musste, habe ich sie einkaufen geschickt.

Mein Kopf hat ganz schön geraucht. Hätte ich gewusst, dass denken so schwer wird, hätte ich mich nicht mit anderthalb Tabletten betäubt. Mir fielen nur Sachen für einen ordentlichen Rausch ein. Körperlich bin ich nämlich soweit wieder auf dem Damm. Da wäre es schon chillig, mir mal wieder so richtig die Kante zu geben. Meine Bestellung habe ich dann neben meinem Alkohol mit unverderblichen Dingen wie Nudeln, Konserven und Trockenware geschmückt.

Anna fragte, ob ich mir sicher bin, dass Alkohol das Richtige ist. Ich meinte, dass ich nach dem Schock jetzt einfach mal abschalten und die Schmerzen vergessen möchte. Glücklicherweise hat sie nichts von den Schmerzmitteln mitbekommen, die ich bei meiner Entlassung mitgenommen habe. Das Rezept für eine neue Schachtel habe ich auch versteckt.

Und da rumort es auch schon wieder am Schlüsselloch.

Anna: „Bin schon wieder da, hab mich extra beeilt.“
Ich: „Oh, schön.“