Gönnhardt: Kapitel 46

Gegenüberstellung.

So standen sich Gönnhardt und die Demonstranten unverhofft gegenüber.

Es rumorte in der Ansammlung, deren Anführer Marc war. Dessen Lebensabschnittspartnerin Larissa stand schräg hinter ihm. Als der Fuchs näher kam, wich Larissa ein paar Schritte zurück und von der Seite ihres Mannes. Die Beziehung lief erst seit ein paar Monaten, da lässt man sich für den Göttergatten in Spe noch nicht das Gesicht von einem bösen Fuchs zerbeißen. Absolut nachvollziehbar, dass sie Sicherheitsabstand suchte. Außerdem, so rechtfertigte sie ihre Treulosigkeit, war sie heute nur Marc zuliebe dabei. Sie litt schon seit zwei Tagen unter Migräne.

Durch den Rückzieher war es eine Begegnung unter vier Augen: Gönnhardt stand links, Marc rechts. Und wenn man auf die gegenüberliegende Seite wechselte war Marc links und Gönnhardt rechts. Ein Mann, ein Fuchs, ein ungleiches Duell. Würden die beiden Kontrahenten im wilden Westen leben, genau jetzt wäre ein Steppenläufer durch die Landschaft geweht worden. Doch es war Karlsruhe am Mittag, also flog statt eines Heuballens eine Krähe durch den Ort des Geschehens.

Die Männer und Frauen hatten genug getuschelt, rundherum war es still geworden. Es breitete sich eine Anspannung aus, wie wenn ein Fußballspieler zum entscheidenden Elfmeter antritt. Keiner wagte es, eine Beleidigung auch nur zu hauchen. Jeder Unbeteiligte war gespannt, was jetzt passieren würde. Und die beiden Hauptdarsteller? Sie waren zu perplex, um Worte zu finden. Gönnhardt befürchtete die Ruhe vor dem Sturm. Marc wollte sich nicht die Blöße geben, diesem Invasoren mit einer Gesprächseröffnung die sinnbildliche Hand zu reichen.

Klack, klack, klack, klack.

Leises Geklapper ertönte. Gönnhardt war der einzige, der erschrak. Er bemerkte, dass seine Zähne schlotterten. Im Morsecode bedeutete der Rhythmus seines Gebisses bestimmt Ich-muss-hier-weg-Over. Der Fuchs erwartete Schmerzen. Gönnhardt verlor die Kontrolle über sein Gesicht. Jetzt ließ Gönnhardts Angst seine Augen verrückt spielen. Sie suchten dort nach einem Täter, vermuteten hier den ersten Angreifer. Er sah vor dem inneren Auge einen roten Punkt auf seiner Stirn tanzen, wie er es von Actionfilmen kannte. Er kniff die Lider in Erwartung des finalen Schusses zusammen.

Nichts. Es tat sich in diesen Momenten einfach nichts. Ein Fuchs, der mit aller Kraft seine Augen zusammenkniff stand vor einem Mann, der sich auf die Lippen biss.

Dann atmete Gönnhardt so tief ein, dass es für Sekunden so aussah, als würde er nur so vor Selbstvertrauen und Kraft strotzen. Marc regte sich ebenfalls wieder. Auch ihm war bewusst, dass er gefordert war. Ihn packte das gleiche Gefühl der Verantwortung, das Gönnhardt vor wenigen Augenblicken überkommen hatte. Marc akzeptierte die Gewissheit, dass er es war, der handeln musste.

Und trotzdem geschah nichts.

Es war weibliches Temperament, das den Stein ins Rollen brachte. Geduld? Ende! Larissa rammte ihrem Lebensgefährten den Ellenbogen mit Anlauf in die Seite: Mach was!

Marc zuckte zusammen. Er erwachte aus seinem Standby-Modus. Marcs Stimme war zärtlicher, als man vermuten würde. Seine brachiale Ausstrahlung passte nicht zu seiner Tonlage. Jetzt, da er nicht schrie und durch ein Megafon verstärkt wurde, wirkte seine Stimme in ihrer Sanftheit sogar beruhigend

Marc: Raus hier, ihr verlaustes Pack.

Marc bewegte sich nicht nach vorne, er schüttelte nicht mal drohend die Faust.

Bitte lass das alles gewesen sein, flüsterte eine Stimme in Gönnhardts Kopf. Beleidigungen? Damit konnte Gönnhardt gut leben. Er hatte mit Schlimmerem, mindestens Schlägen und Tritten, gerechnet.

Keiner seiner düsteren Gedanken realisierte sich, er wurde nicht mal geschubst.

Mit Genuss schluckte er den Kloß in seinem Hals herunter. Wie Öl! Erleichterung machte sich in diesem unpassenden Moment breit, schließlich hatte das Gespräch nicht gerade vielversprechend begonnen. Aber man hat seine Gefühle halt einfach nicht immer im Griff, auch nicht als sprechender Fuchs. Gönnhardt hätte Marc umarmen und Larissa küssen können. Oder umgekehrt. Nachdem er das Lächeln, das ihm über das Gesicht gehuscht war, wieder verscheucht hatte, rief er sich in Erinnerung, dass dies definitiv nicht der richtige Zeitpunkt für Liebkosungen war.

Gönnhardt hatte nichts gegen die Menschen, denen er gegenüberstand. Er konnte ihre Abneigung nachvollziehen. Sein Wunsch war es schlicht und einfach, dass die Menschen sein Rudel in Frieden ließen. Gönnhardt wollte das Gespräch auf positive Bahnen lenken, so schleuderte er Marc hastig ein Kompliment entgegen: Ich mag auch Hamburger! Das war gelogen, Gönnhardt hasste diesen Fraß. Doch der Zweck rechtfertigte die Mittel. Marc war verdutzt. Hamburger? Das kam ihm bekannt vor. Er schaute hinab auf sein T-Shirt und schnaufte ein heiteres Hmm heraus. Er trug nämlich einen ganz besonderen Stofffetzen. Es war ein Preis, auf den er mächtig stolz war. Bei ihrer ersten Verabredung lud Marc Larissa in ein XXL-Restaurant ein. Der Herr wollte die Dame beeindrucken, also nahm er an der Big-Bad-Burger-Bude-Challenge teil. Und er meisterte diese Herausforderung mit Bravour: Marc verputzte 12 XXL-Cheeseburger in 60 Sekunden. Larissa war so baff gewesen, sie gab Marc einen Schmatzer auf die Stirn. Der Lohn der Mühen war nicht nur die Gunst seiner Maid, sondern eben jenes T-Shirt, das in diesem Moment seine Plauze zierte. Marcs Mundwinkel zogen sich nach oben. Nach Anerkennung heischend, schaute er zu Larissa.

Larissa rollte mit den Augen. Gönnhardt bemerkte das. Er entschied, dass er ihr ebenfalls Honig ums Maul schmieren sollte. Durch seine etlichen, laaangen Gespräche mit Anne war er schließlich zum Frauenversteher geworden.

Gönnhardt zu der Frau: Ich mag deine Frisur, die Haarfarbe steht dir! Das Rot lässt deine Augen hervorstechen und die grauen Strähnen betonen deine vielen Leberflecken.

Frau und Marc schauten sich abermals an. Gönnhardts zweite Charmeoffensive verpuffte. Larissa starrte mit zusammengezogenen Augenbrauen auf ihre Schuhe, die sie passend zur Frisur gewählt hatte.

Marc erzählte Gönnhardt unterdessen, dass der Farbton seine Lieblingsfarbe war. Sowie die Vorteile von Cheeseburgern gegenüber Hamburgern.

Die Zuschauer verstanden die Welt nicht mehr. Es machte sich keine Fassungslosigkeit, sondern Verwunderung breit, denn damit hatte nun wirklich niemand gerechnet. Der Anführer der Füchse und der Vorschreier der Demonstranten hielten einen Plausch in aller Öffentlichkeit.

Ein Gesicht zuckte, ein Mund bebte. Jemand musste seine Anspannung abbauen. Schon wehte eine krächzende Stimme über den Schlossplatz. Gorra röhrte von hinten: Beiß iiihn! Beiß den Määänschäään!

Und schwupps war der Einsatz erhöht. Die körperliche Unversehrtheit stand wieder auf dem Spiel. Larissa wich einen Doppelschritt zurück. Fäuste hoch an die Schläfen, Marc wechselte in Verteidigungshaltung. Gönnhardt brachte sich ebenfalls in Position, um einen Hieb abzuwehren. Es war ein Patt.

Gorra: In die Naaase!

Eine Handvoll bulliger Männer drückte sich durch die Menge. Sie machten sich mit Bewegungen im Kraul-Schwimmstil den Weg nach vorne frei. Die schwarzen Kapuzenpullover, verspiegelten Sonnenbrillen und Mützen, deren Schirme zu einem umgedrehten U gebogen waren, verhießen nichts Gutes. Die Rüpel bauten sich hinter Marc auf. Es sah bedrohlich aus.

Die Füchse rückten zu Gönnhardts Unterstützung nach. Es wurden Angriffsformationen gebildet.

Typisch. Als Larissa wusste, dass ihr nichts passieren konnte, wurde sie vorlaut. Larissa: Wir arbeiten den ganzen Tag und ihr verlaustes Pack liegt auf der faulen Haut und lasst euch durchfüttern!

Schorschi verkannte den Ernst der Lage. Schorschi brüllte über die menschliche Schallschutzwand: FELL! NICHT HAUT! WIR VERLAUSTEN LIEGEN AUF DEM FAULEN FEEELL!

Das konnte man so stehen lassen. Sogar Larissa war sprachlos. Es fällt einem nicht mehr viel ein, wenn man von einem dicken Fuchs verbessert wird.

War etwa schon alles gesagt?

Die nächsten Minuten muteten jedenfalls an wie ein Ehepaar in der Trennungszeit: Zu sagen hatten sich die beiden Parteien nichts mehr.

Anne nuschelte sich Mut zu: ezt odr nie.

Sie kam aus ihrer Deckung, lief direkt auf die Mitte des Konflikts zu und nahm dort den Spalt zwischen Füchsen und Männern ein.

Anne: So, das war genug Aufregung für heute. An Marc und seine Bullen gewandt: Die Füchse tun keinen Menschen weh! Das machen höchstens die Wölfe, da könnt ihr euch sicher sein. Zu den Füchsen sagte Anne: Wir gehen jetzt zurück. Das reicht jetzt. Anne wahrscheinlich zu sich selbst: Gewalt ist keine Lösung. Mit diesen Worten erlöste sie die beiden Gruppen. Niemand würde Gesicht verlieren – im wahrsten Sinne des Wortes. Sie scheuchte die Füchse Richtung Schloss, dabei umkreisten sie die Wölfe in einem weiten Bogen.

***

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