Gönnhardt: Kapitel 40

Malerischer Ausblick.

Als die geschlagenen, gebissenen und getretenen Füchse nach einer Bleibe im Keller baten, wies Schminkfit ihnen einen ungemütlichen Raum zu. Das neue Wohnzimmer der Füchse war eigentlich die ehemalige Lagerhalle des Museums. Schminkfit meinte lapidar zu Gönnhardt, dass sich auf die Schnelle kein besserer Raum finden ließ. Er hatte allerdings auch keine Lust gehabt, überhaupt zu suchen. Das eine Zimmer da, auf das er vom oberen Treppenende zeigen konnte, war perfekt. Schminkfit verabschiedete sich mit fadenscheiniger Begründung, er schob eine Stauballergie vor. Treppenphobie traf es eher.

Damit wohnten die Füchse von nun an im Keller. Sie richteten sich zwischen Kisten und Kartons, zwischen Spinnweben und Staubflusen ihr kleines, dunkles Reich ein. Man kann sich die Stimmungslage vorstellen, nachdem all der Besitz der Füchse eine Etage tiefer war. Düstere Gedanken geisterten durch das Gewölbe. Gönnhardt versuchte, seiner Truppe nach dem Umzug Mut zuzureden: Wir müssen ja nur hier unten sein, wenn wir schlafen gehen. Mit geschlossenen Augen ist es sowieso dunkel.

Gönnhardt bekam Murren als Antwort. Besonders für Bertram war das ein schwacher Trost. Es war langweilig hier unten. Er vermisste seinen Fernseher, und wollte immer noch nicht mit den anderen Füchsen im Garten spielen. Die einzige Scheibe, durch die er noch glotzen konnte, war begrenzt unterhaltsam. Aus dem vergitterten Kellerfenster sah man lediglich einen kleinen Ausschnitt vom Schlossvorplatz. Bertram fühlte sich gefangen im Gefängnis!

Nun gut. Die Kellerkinder machten sich mit ihrer Umgebung vertraut. Sie fanden in den Schachteln und Boxen Utensilien von alten Ausstellungen des Schlossmuseums. Für gute Laune sollten Kostüme und Requisiten von Aufführungen sorgen.

Die Tage verstrichen, doch die Ideen gingen nicht aus. Die Füchse verkleideten sich und spielten Theater, wenn sie sich im Keller gefangen fühlten. Man muss es ihnen lassen, sie machten das beste aus der Situation. Sie lebten sich so gut es ging im Untergeschoss ein. Guido unterstützte sie tatkräftig, trotz begrenzter Mittel wurde renoviert. Alte Vorhänge wurden Betten, Bierbänke zu einer Snackbar, alte Leuchtreklame zur Lichtquelle. Während die Stimmung unter der Erde ein wenig stieg, sank sie an der Luft ins Bodenlose.

Die Angestellten, die sich um die Pflege der Beete und Grünanlagen kümmern sollten, hatten zu diesem Zeitpunkt längst resigniert. Wenn die Wölfe die grüne Kunst sowieso zerstören, worin lag dann der Sinn der Gartenarbeit? Statt Blumen und Blüten dominierten Gruben und Erdlöcher den Bereich um das Schloss. Es sah aus, als hätte Muttern am ersten Frühlingstag Lust auf einen Garten voller Beete gehabt, aber nach dem Umgraben wegen Kreuzschmerzen aufgegeben. Wenn es schon schlimm aussah, wollten die Füchse wenigstens für heitere Stimmung sorgen. Die meiste Zeit auf der Erdoberfläche verbrachten die Füchse mit den paar Menschen, die sich noch in den Schlosspark verirrten. Sie taten überschwänglich fröhlich, und versuchten sich auch gegenseitig mit ihrer gespielt-guten Laune aufzuheitern.

Ein Tag lässt sich hervorheben, für die Füchse war es der schönste seit der Invasion der Wölfe. Es begann, als die Füchse morgens in ihrer Kammer des Schreckens saßen und sie laute Rufe hörten: Füüüchse! Haaaallo. Bertram vermutete eine Falle. Da Bertram paranoid war, schreckte seine Warnung niemanden auf. Die Füchse waren neugierig. Gönnhardt war der erste, der sich raus traute.

Der Mut wurde belohnt, denn der Anblick ließ sein Herz vor Freude hüpfen. Als er im Schlossgarten ankam, traf er auf eine Horde Kinder. Wohin das Auge reichte: Kleine Mädchen mit Zöpfen und Zahnlücken sowie Buben mit Brillen und Bällen.

Gönnhardt drehte sich wortlos um und rannte zurück in den Keller. Er verhaspelte sich vor Aufregung: Schnell Tüte aufhetzten und koch hommen. Äh. Schnell Hüte aufsetzen und hoch kommen.

Gekleidet mit individuellem Kopfschmuck stand die Fuchsbande einer Schulklasse gegenüber, die sich schon seit Wochen auf diesen Ausflug freute. Es herrschte ein heilloses Durcheinander, als die Kinder realisierten, dass es endlich losging. Mädchen schrien, Jungen kreischten. Diesmal war die gute Laune nicht gespielt, deshalb steckte sie an. Sogar Bertram schwebte auf Wolke Sieben. Nach all den deprimierenden Vorkommnissen sollte es heute ein schöner Tag werden.

Die Lehrerinnen begrüßten die Füchse, erklärten den Kindern demonstrativ die Regeln für ein friedliches Miteinander. Sie sprachen langsam, laut und deutlich – damit auch die Füchse verstanden. Und dann ging die Post ab wie nach der Briefkastenleerung. Wie es bei Klassen so ist: Es bildeten sich Grüppchen. Jeder der Füchse fand schnell seine Clique.

Ganz vorne auf den harten Sandsteinen saß Bertram mit seiner Gang. Keiner der Anwesenden war scharf auf anstrengende Bewegung oder aggressive Sonnenstrahlen. Er war umringt von Strebern, die ihm alle Vokabeln vorlesen wollten. Die Leseratten suchten den Schatten und fanden ihn den ganzen Tag unter einer großen Eiche.

Claudette wechselte von der Rolle des Putzteufels in die des Wachhundes. Da ihr die Kinder zu albern und vor allem zu schmutzig waren, gesellte sie sich zu den Lehrerinnen. Die Damen drehten ihre Runden durch den Park, um überall nach dem Rechten zu schauen. Claudette hatte den Dreh schnell heraus und gab den Kindern ebenfalls Kommandos: Heee Darian, nicht so wild. Die Tante wird mächtig böse, wenn die Schuhe kaputt gehen tun! Darian: Tschuldi. Nachdem Darian zwei Schritte geschlendert war, rannte er wieder.

Florentine bekam natürlich ein Verwöhnprogramm von den Mädchen, die auf Prinzessinnen und Einhörner standen. Auch Jungen kamen ab und zu vorbei, wenn sie eine Verschnaufpause brauchten. Dabei pflegten und streichelten sie die hübsche Füchsin. Florentine sorgte effektiver für Ordnung als Claudette. Die Kinder warteten geduldig, bis sie an der Reihe waren. Vielleicht sorgten auch Reinholdts scharfe Zähne für die nötige Ruhe. Florentines Haarbürste war an diesem Tag wertvoll und mächtig wie ein Zepter. Reinholdts Ding war diese Haarrauferei nicht, aber er musste halt auf Florentine aufpassen. Mitgehangen, mitgefangen: Im Laufe des Tages bekam er Zöpfe geflochten. Er sah abends aus wie ein Rasta-Fuchsi.

Schorschi hatte Laufkundschaft. Er verstand sich mit allen Kindern. Wenn sie bei ihm waren, waren sie noch stiller. Bei Schorschi wurde zwangsweise geschwiegen. Voller Mund und so. Es gab bei Schorschi natürlich Essen. Schorschi verweilte auf den Treppen, die der Picknickbereich waren. Er wurde immer wieder gefüttert und lehnte keinen Bissen ab. Natürlich nur aus Höflichkeit und ganz bestimmt nicht weil er verfressen war, damit das klar ist.

Auch Gönnhardt war glücklich. Er konnte endlich wieder in Gesellschaft toben. Die Kinder waren noch unterhaltsamere Laufkameraden als die Enten. Gönnhardt jagte mit den wilden Jungs und den verwegenen Mädchen über Wiesen und spielte die Version von Fangen, die nicht weh tat.

Die Klasse blieb zur Freude aller Beteiligten – Aufsichtspersonal abzüglich Claudette ausgenommen – bis in die Abendstunden. Nachdem der Ausflug endete, waren die Füchse erschöpft und glücklich. Sie stützten einander auf der Kellertreppe ab und waren bereit, todmüde ins Bett zu stürzen.

Kurz nachdem sie gefallen waren wie Kriegshelden, ging es los: BUH! WÄH! WUUUUSELFITZ!

Die Füchse hatten die Rechnung ohne ihre Nachbarn gemacht. Es hallte Schmährufe und andere Blödeleien vom oberen Ende des Treppengeländers hinab. Die Wölfe konnten der angestauten Wut endlich freien Lauf lassen. Den ganzen Mittag und halben Abend waren sie am Fenster zum Hof gestanden. Immer wieder lästerten die Wölfe über das Treiben da draußen. Füchse, die sich amüsierten, wurden nur noch von Füchsen, die sich mit Menschen amüsierten, übertroffen. Gorra stieß besonders übel auf, dass es die Sorte Mensch war, die immer noch nicht gegen ihre Erziehungsberechtigten rebellierte. Selbst wenn Bugar es geschafft hatte, die Wölfe für ein paar Minuten zu beruhigen, stachelte Gorra das Rudel wieder an. Sie hatte Kinder im Geiste gefressen. Gorra: Diese Kinder sollte man alle weh tun, dann lachen und hüpfen sie nicht mehr.

Drohl war der Wolf, der tagsüber die beste Laune hatte. Sah er doch seine Lügengeschichte bestätigt: Da Zmirka. Verräter Fuchs plus Mensch. Doch auch er war Feuer und Flamme, als die Wölfe sich Gemeinheiten ausdachten. Die Mission: Sie wollten die Kellerkinder am Schlafen hindern.

Man muss es ihnen lassen: Für Abwechslung war gesorgt. Es gab beispielsweise ein Pfeifkonzert, das sich zu einer Schimpfaufführung entwickelte. Auf Frechheit folgte Gemeinheit, nach Krach begann Lärm. Wenn die Wölfe nicht an der Treppe jaulten, trampelten sie herum. Wenn sie nicht herumtrampelten, warfen sie Töpfe, Pfannen und ähnliche Quälgeister die Stufen runter. Das Sahnehäubchen des Psychoterrors war, dass sie gegen Mitternacht minutenlang den Deckenleuchter anheulten. Solche Albernheiten machten eigentlich nur Wölfe in Filmen, aber an diesem Tag war der Gruppe um Drohl nichts zu blöd.

Die Lärmbelästigungen gingen bis tief in die Nacht. Das letzte Geräusch dieses Frühstmorgens war ein heiseres, hämisches Gelächter von Hammak. Erst dann war für Gönnhardt an Einschlafen zu denken. Gar nicht so einfach bei einem Blutdruck, der vor Wut bis in die Ohren pocht.

***

Dieses Kapitel ist ein Teil des Buches Gönnhardt: Füchse, Kriege, Flüchtlingskrise. Ich hoffe, dass dir die Kostprobe gefallen hat. Ich denke allerdings, dass es mehr Spaß macht, wenn man das Buch als Komplettpaket liest. Was dich trennt? Die Bestellung. Keine Sorge: Falls du das Buch kaufen möchtest, musst du nicht viel Geld ausgeben.

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