Gönnhardt: Kapitel 25

Hunger.

Während der Führung durch das Schloss wurde das Grinsen von Gönnhardt immer breiter. Nicht wirklich aus Dankbarkeit, eher um dankbar zu wirken, damit er guten Gewissens Schweigen konnte. Er war begeistert, hatte jedoch keine Energie mehr zum Reden. Die Kraftreserven der anderen Füchse waren hingegen erst im hellroten Bereich, sie nickten immerhin mechanisch. Die kleine Bande sah aus wie eine Armee von Wackeldackeln mit einem Kriegsdienstverweigerer.

Die Menschen, die die Schlossbesichtigung begleiteten, strotzten vor Tatendrang. Das Blitzlicht gewitterte, die Münder schnatterten. Schminkfit bekam vor Aufregung ganz rote Bäckchen. Er ließ sich bei jeder seiner großzügigen Gesten ablichten. Einmal zeigte er die Küche, dann ging es zurück in den Eingangsbereich. Von dort führte Schminkfit direkt weiter: Über einen Zwischenstopp in Büroräumen gelangte der Trupp in die Bücherei. Die Füchse waren gute Komparsen. Wenn sie in die Kameralinsen schauten, machten sie große Augen – aus Angst vor den hellen Blitzen. Gönnhardt sog die Schloss-Atmosphäre auf und grinste tapfer vor sich hin.

Endlich war es soweit: Der Film in der Kamera neigte sich dem Ende zu. Vielleicht war der Speicherplatz auf der gleichnamigen Karte auch langsam erschöpft. Egal. Jedenfalls wollten sowohl die Fotografen als auch der Hausherr die letzten Fotos vom Schlossturm aus schießen. Man war sich einig: Vor dem Panoramablick über die Stadt wirkt man so weltmännisch, wie ein Politiker sein muss.

Oben angekommen sah man Schminkfit an, dass er in keiner guten körperlichen Verfassung war. Schweiß stand ihm auf der Stirn, das Gesicht von den vielen Stufen so dunkelrot, jede Tomate wäre faulig. Er brauchte eine Pause.

Für die Tiere lohnte sich der Aufstieg. Was für einen Ausblick sie in diesen ruhigen Minuten genießen durften! Da dachte Gönnhardt, der Horizont von Annes Balkon im zweiten Stockwerk wäre grenzenlose Freiheit gewesen. Als er sich auf das Geländer vom Schlossturm beugte, war er fasziniert von den unendlichen Weiten. Er sah die Willkommensgruppe und die Protestanten vor dem Schloss, den Marktplatz mit der kleinen Pyramide weiter hinten. Als er den Kopf nach links und nach rechts drehte, erkannte er noch mehr. Er fand sowohl den alten Fuchsbau als auch Annes Wohnung. Einzig die dunkle Gasse entdeckte er nicht. Die war von Hauswänden verdeckt.

Dann war es endlich so weit, das Fotoshooting war beendet. Zurück im Erdgeschoss öffnete Schminkfit eine Flügeltür: So, das ist euer Bereich.

Reinholdt, Schorschi, Bertram, Florentine und Claudette staunten nicht schlecht, als sie ihre neue Bleibe sahen. Gönnhardt staunte nicht schlecht, als er seine neuere neue Bleibe sah. Die Füchse bekamen ein riesiges Zimmer zugewiesen. Der Raum hatte alles, was vornehme Leute früher von ihren Sklaven verlangten. Der große Ballsaal war ausgeleuchtet, blitzblank und so geräumig, dass jeder die Größe des eigentlichen Fuchsbaus für sich haben würde. Die Blicke der Füchse rasten durch den Raum. An einer Wand lagen Decken und Kissen. In einer Ecke stand ein Fernseher, davor eine Couch. Neben der Tür machte es sich eine Bank für die Hüte der Füchse gemütlich. Unter den großen Fenstern glänzte der künftige Essbereich.

Eine Welle der Erleichterung durchfuhr Gönnhardt. Alles richtig gemacht! Da hatte er schon von Annes Wohnung geschwärmt …

Schminkfit setzte wieder an. Da keine menschlichen Zuschauer und damit künftige Wähler anwesend waren, fasste er sich deutlich kürzer. Schminkfit erklärte, während er mit dem Zeigefinger Löcher in die Luft bohrte: Das da ist der Schlafbereich, da ist die Kommode, da gibt es Essen. Dann mal viel Spaß!

Die Füchse sahen sich an. Endlich allein.

Doch nicht. Noch bevor die Tiere ausschwärmen konnten, wurde die Tür wieder geöffnet. Ein ergrauter Mann in ausgebleichtem Trainingsanzug streckte vorsichtig den Kopf herein: Hallo ihr Lieben, ich bin der Guido. Ich bin im Schloss das Mädchen für alles. Ich habe ein paar Häppchen für euch, ihr müsst ja Kohldampf schieben. Kommt mit einem Gruß von der Regierung oder so jemandem.

Reinholdt flüsterte: Das ist aber ein hässliches Mädchen!

Wir wissen ja, in welcher Lautstärke Reinholdt leise war, deshalb steckte Guido nochmal den Kopf hinein und erklärte mit einem Lächeln auf den Lippen: Also ich bin schon ein Mann. Das mit dem Mädchen, das sagt man bei uns so.

Reinholdt trotzig: Ein hässlicher Mann ist er auch.

Dazu fiel Guido nichts ein.

Kurz darauf schob er einen prächtigen, vergoldeten Servierwagen mit Obstplatte, Schnittchen und Radieschen herein. Die neuen Schlossbewohner bildeten einen Kreis um den Wagen. Es war nicht gerade das, was Gönnhardt angekündigt hatte, aber nach der Anstrengung willkommen. Die Füchse waren hungrig, sie stürzten sich auf ihr ungewöhnliches Mahl.

Die ausgehungerten Tiere waren so mit futtern beschäftigt, sie merkten nicht, dass Guido auch noch die schweren Geschütze auffuhr. Er rollte einen Bollerwagen, der nicht ganz so edel, aber mit mehr Essen beladen war, in das Zimmer der Füchse.

Guido musste sich durch lautes Räuspern bemerkbar machen.

Die Laute gingen jedoch im Schmatzen unter.

Guido: Hey, Hallo, hier!

Es war Guido unangenehm, so viel Aufmerksamkeit zu haben, aber es lohnte sich. Guido hatte sich von Anne beraten lassen, was Füchse gerne essen. Käsepizza, Milchschüsseln, Obststücke und Schokolade, die sich auf seinem Werkzeugwagen befanden, kamen dann doch etwas besser an, als die Gourmethäppchen der Anzugträger und Kostümträgerinnen. Gönnhardt rannte vom einen Wagen zum anderen, als er realisierte, was passiert war. Die anderen folgten.

Die Füchse drängten Guido ab und fingen an zu schmausen. Guido graute davor, die Sauerei später zu beseitigen. Vergeblich versuchte er die übereifrigen Füchse zu besänftigen. Guido: Bleibt ruhig, es ist genug für alle da. Keine Reaktion, der Fressturbo lief auf vollen Touren. Guido entfernte sich vom Tatort dieser Essensschlacht.

Sekunden später: Frisch gestärkt nahmen die Füchse ihr Reich unter die Lupe. Es war gut, aber konnte noch besser werden, befand Florentine. In ihrem Auftrag machte Reinholdt ein paar Veränderungen. Florentine ließ sich von Reinholdt eine Wohlfühloase bauen. Sie beanspruchte die Hälfte der Kissen und zwei Decken für sich. Der Standort ihres Herrschaftsgebietes war genau dort, wo man es erwarten würde: vor dem Spiegel. Ebenso klar wie Kloßbrühe: Reinholdt richtete seinen Schlafplatz direkt daneben ein.

Claudette streunte durch den Raum, erkundete jede Ecke. Es konnte doch nicht sein, dass alles sauber war. Sie schnüffelte hier, schnupperte da und fand dort irgendwann den Putzschrank, der so lecker nach Zitronenreiniger roch. Das sollte ihr Gelände werden.

Schorschi schnappte sich ein Kissen und machte es sich neben dem Essbereich bequem. Dort beschäftigte er sich. Nachdem er sich erkundigt hatte, ob die anderen satt waren, wurde er experimentierfreudig. Schorschi kam sich vor wie ein Erfinder, als er verschiedene Geschmackskombinationen ausprobierte. So gab es im Laufe des Abends unter anderem Pizza mit Apfel, Schokolade mit Käse, Milch mit Radieschen, Schokolade mit Lachs und Brot mit Pizzarand.

Auch Bertram hatte auf Anhieb seinen Stammplatz gefunden. Dieser war direkt vor dem Fernseher. Er ließ sich sofort die Funktionen erklären. Gönnhardt wiederholte geduldig, was er von Anne gelernt hatte, während Bertrams Augen wässrig wurden: Hier kannst du aufnehmen. Das ist die Programmliste. Da sind die Empfehlungen. Das ist ein Smart-TV.

Bertram war begeistert, das Gerät konnte so viel. Bertram stotterte unter Freudentränen: Smart, d-d-das ist ne gute M-m-marke, oder? Die kenne ich von der Werbung, die machen doch auch Telefone. Bertram meldete sich ab. Er wählte die Ecke neben dem Sofa, die schön versteckt war. Der Winkel seines Schlafplatzes war so gut, dass man ihn fast nicht sehen konnte. Aber man hörte ihn. Also man hörte, was er schaute. Es lief der erste Teil eine zweiteiligen Dokumentation über einen Guerillakrieg mit Kampfführung unter falscher Flagge.

Und Gönnhardt? Der war erleichtert, dass er seine Freunde nicht ins Verderben geführt hatte. Erschöpft und mit Muskelkater aufgrund des vorangegangenen Dauergrinsens fiel er ins Bett. Das war bei ihm die Mitte der Couch, von der aus er den ganzen Raum im Blick hatte.

***

Dieses Kapitel ist ein Teil des Buches Gönnhardt: Füchse, Kriege, Flüchtlingskrise. Ich hoffe, dass dir die Kostprobe gefallen hat. Ich denke allerdings, dass es mehr Spaß macht, wenn man das Buch als Komplettpaket liest. Was dich trennt? Die Bestellung. Keine Sorge: Falls du das Buch kaufen möchtest, musst du nicht viel Geld ausgeben.

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