Gönnhardt: Kapitel 22

Überraschung.

Die Füchse schauten ängstlich aus ihren jeweiligen Fensterscheiben. Die Fahrt war holpriger geworden, seit Anne auf dem gepflasterten Weg nahe dem Marktplatz in Karlsruhe eingebogen war. Nach penetrantem Drängen und weinerlichem Bitten spannte sie die durchgeschüttelten Füchse nicht länger auf die Folter. Sie verriet endlich, dass ein offizieller Festakt anstand. Beim letzten Wort streckte sie die Arme in die Luft, wackelte mit den Händen und verfiel in Singsang: Wir, also ich und ein paar Offizielle und so, wollen euch Füchsen zeigen, dass ihr dazugehört. Ich, also wir, also die ganze Stadt hat eine Begrüßung geplant. Eine Willkommenspaaaraaade!

Angekommen. Anne bat die Füchse im Auto zu bleiben, während sie mit einem Mann in einer gelben Jacke die Details absprechen würde.

Weil der Mann in der gelben Jacke arg wortkarg war, saß Anne wenige Silben später schon wieder im Auto. Anne, immer noch im Singsang: Wird alles voll eeeasy, die Leute vom Sicherheitsdienst zeigen euch den Weeeg. Geht ihr mal vooor. Einfach immer der Nase naaach.

Schorschi wurde laut. Nochmal wollte er darauf nicht reinfallen. Schorschi protestierte: Ja, ja. Immer der Nase nach. Den Trick kenn ich. Nein, nein, nein.

Reinholdt musste kichern, als er an diesen Schabernack dachte. Die anderen überhörten den Einwand. Sie hatten jetzt Wichtigeres zu tun, als sich mit Schorschis Denkfehlern zu beschäftigen. Die Füchse stiegen aus dem Auto aus und formierten sich. Zu unserer Gruppe war jetzt auch der Mann mit der gelber Jacke, aber ohne sonnigem Gemüt, gestoßen. Der Ordner erklärte ihnen, was geschehen würde: Ihr geht einmal durch das Tor hier. Dabei zeigte er auf eine schwarze Stoffwand. Und fuhr fort: Links und rechts sind Zuschauer. Unsere Leute sorgen für eure Sicherheit. Ihr erkennt uns an den Jacken, wenn es Probleme gibt. Ihr lauft also durch den abgesperrten Bereich über den Marktplatz. Und dann noch bis zum Schloss weiter. Am Ende der Parade ist eine kleine Bühne aufgebaut. Dort sagt irgendjemand noch ein paar Worte. Fertig.

Anne rückte nur noch Gönnhardts Hut zurecht und war dann mit einem Tschüüü verschwunden. Gönnhardt atmete tief durch. Er wusste, dass er die Mannschaft anführen musste, da die Veranstaltung indirekt auf seine Kappe ging. Mit entschlossenem Blick nickte er dem Ordner zu und ließ den Vorhang anheben. Er bereitete sich auf ein tosendes Publikum vor. Ihm stockte der Atem, damit hatte er nicht gerechnet.

Es herrschte gähnende Leere. Der Anfang der Parade war spärlich besiedelt. Außer ein paar Männern und Frauen in gelben Jacken war niemand zu sehen. Der erste Ordner lehnte gelangweilt an einem Absperrgitter. Während die Füchse ihn passierten, konnte er sich einen Kommentar nicht verkneifen: Ist vielleicht ein bisschen von den Medien aufgebauscht worden, das Ganze. Will wohl doch nicht jeder Füchse in Karlsruhe.

Nun gut, die Füchse mussten da jetzt im wahrsten Sinne des Wortes durch. Und da waren etwa hundert Meter zwischen Absperrgittern. Während sie die ersten Meter noch bedächtig schlenderten und sich die umliegenden Gebäude ehrfürchtig ansahen, nahmen sie bald Fahrt auf. Möglicherweise wurde Gönnhardt von den vereinzelten Passanten angespornt, die im Vorbeigehen schimpften, was das wohl wieder für ein dummer Umzug war.

Passant: Und dafür geben die unser Steuergeld aus. Bei denen hakt es wohl.

Weiter entfernt trieben zwei Männer die Beleidigung auf die Spitze. Von Weitem ertönte ein dumpfer Laut.

BUUUH!

Das war der universelle Schrei der Abneigung. Das wollte sich Reinholdt nicht bieten lassen. Er eilte den Blökenden entgegen, Claudette hinterher.

Das Ende des Feldes bekam von der Ausreißergruppe erstmal nichts mit. Die beiden hinteren Füchse haderten mit ihrem persönlichen Schicksal. Schorschi war auf einen dermaßen ausgedehnten Fußmarsch nicht vorbereitet. Er rührte seinen Proviant schon auf der Autofahrt an. Mittlerweile war alles weggeputzt. Gönnhardt hatte ja davon geschwärmt, dass die Menschen immer Essen dabei haben. Schorschi war enttäuscht und bildete mit dem angespannten Bertram den Schluss. Bertram sah sich schon für Leckerli Kunststücke aufführen, damit Schorschi seinen Hunger im Zoo stillen konnte.

Schorschi: Bertram, siehst du irgendwo das Buffet?

Bertram überragte Schorschi theoretisch um einen Kopf, in der Praxis ließ er den Kopf jedoch so tief hängen, dass er nur Bodenbelag sah. Da er Schorschi gut genug kannte, drehte er sich demonstrativ einmal um die eigene Achse, damit sein Kopfschütteln auch das Ende der Diskussion war.

Die Karawane zog weiter. Es war ein trauriger Anblick: Die kleinen Füchse verloren zwischen den großen Metallgittern.

Die abgehängten Füchse schlossen erst wieder zu den Geschwistern auf, als diese wie angewurzelt stehen blieben. Claudette und Reinholdt hielten Sicherheitsabstand. Denn viele Menschen – nicht nur die paar Buhrufer – waren am Ende des Marktplatz versammelt und verharrten dort gepresst und gequetscht. So waren die Menschen, lieber irgendwo gegenseitig auf den Füßen stehen, statt sich gleichmäßig auf der gesamten Strecke zu verteilen.

Es herrschte dort, wo die Füchse jetzt angekommen waren, fast Ausnahmezustand. Ein Teil der kreuzenden Kaiserstraße war gesperrt, jeglicher Verkehr war umgeleitet worden. Auf den Schienen standen Bierbänke und Lautsprecher. Zum Glück bekam Schorschi nichts von den Fressständen mit, diese waren durch dickbäuchige und großgewachsene Menschen verdeckt. Er hätte sich womöglich in ein Bad in der Menschenmenge gestürzt.

Gönnhardt machte deutlich, dass sie noch nicht am Ziel waren. Unsicher tapsten die Füchse wie an einer Schnur aufgezogen hinter Gönnhardt her. Jetzt waren links und rechts nicht Gitter und Zugluft, sondern schmächtige, mickrige Gitterleinchen und viele, viele Zuschauer. Kinder zogen an den Ärmeln ihrer Eltern, Eltern drückten sich durch, damit Sohnemann oder Tochterfrau etwas sehen konnte. Immer mehr Menschen drängten nach vorne, als bis nach hinten genuschelt war, dass die Füchse endlich da waren. Der erste Applaus des Tages klang auf. In diesem Moment wäre es für die Füchse von Vorteil gewesen, nicht ausgezeichnet hören zu können. Resultat: kein Hörsturz, aber klingelnde Ohren.

Nachdem ausgeklatscht und damit ausgeklingelt war, konnten die Füchse Gesprächsfetzen aufnehmen.

Ein Kind: Die sind aber klein.

Ein Kind: Mir ist langweilig.

Ein Kind: Können wir jetzt endlich heim?

Ein Erwachsener: Ich schieß nur schnell ein Foto, dann gehen wir.

Dann flog das erste Wurfgeschoss. Es machte Dotz. Mitten in die Fresse rein. Schorschi konnte nicht schnell genug ausweichen. Sayenne landete einen Volltreffer. Gönnhardt drehte sich um: Nichts passiert, oder?

Er sah in die Menschenmenge, erkannte die Übeltäter. Die Tierschutzcrew minus Anne stand auf einem wackeligen Biertisch und streckte die Fäuste in die Luft: Woohoo! Dann warfen Thilo und Mathilde ebenfalls um sich. Diese beiden Schützen waren nicht so zielsicher. Sie trafen das eine gelangweilte Kind am Hinterkopf beziehungsweise im Fall von Mathilde sogar nur den Arm von Thilo.

Gönnhardt kombinierte wie bei einer Pferdewette.

Gönnhardt: Ich kenn die Leute. Setz das Ding einfach auf, dann geben sie Ruhe.

Schorschi gehorchte. Er zog sich die Baseballmütze mit Regenbogen mit tatkräftiger Unterstützung von Gönnhardt auf. Diese Szene gefiel den Zuschauern, endlich passierte etwas Denkwürdiges. Aus spärlichem Applaus wurde tosender Lärm. Thilo war den Tränen nahe.

Thilo, während er das Geschoss von Mathilde Richtung Füchse feuerte: Der Fuchs kämpft für die Rechte von Homosexuellen! Nehmt euch ein Beispiel, ihr Kleingeister.

Die anderen Zuschauer waren angesteckt. So wie Plüschtiere bei Auftritten von Boybands flogen, so wie Büstenhalter auf den Bühnen von abgehalfterten Altrockern landeten, so hagelte es Kopfbedeckungen auf die Füchse. Die Menschen standen mit Glatzköpfen, ungekämmten Haaren und plattgedrückten Frisuren da und hofften, dass einer der Füchse den ihren Kopfschmuck auserwählte.

Florentine wich einer Wollmütze aus, fragte in die Runde: Was haben die mit ihren Hüten?

Reinholdt musste Florentine aus dieser misslichen Lage befreien. Er wollte die weiße Fahne hissen. Er versuchte daher stellvertretend mit einer weißen Kappe in der Schnauze zu winken, damit sich die Menschen endlich zufrieden gaben. Er nahm die Mütze eines auswärtigen Fußballvereins in den Mund und schüttelte kräftig. Für die Menschen sah es so aus, als wollte er die Mütze zerfetzen. Fußballfans grölten vor Freude. Mann: Der Fuchs hasst die Rot-Weißen genau wie wir! Er und seine Kumpels bewarfen Reinholdt daraufhin mit Schirmkappen, die mit Logos des lokalen Fußballvereins versehen waren.

Reinholdt war von dem Bombardement nicht begeistert, doch er verstand: Dieser Gönnhardt! Schnell alle einen aufsetzen, sonst hört das nie auf.

Bevor sie den Marktplatz verließen, hatte jeder der Füchse einen Hut auf der Birne. Reinholdt trug eine Schirmmütze mit einem blau-weißen Wappen, Schorschi die Kappe mit dem Regenbogen. Bertram entschied sich für eine Schieberkappe, die ihm ein alter Opa vor die Füße legte. Florentine wählte die Baskenmütze mit Stoffblumen einer feinen Dame aus dem Reichenviertel. Claudette meinte eine Seelenverwandte in einer Putzfrau entdeckt zu haben. Sie ließ sich deren Kopftuch aufsetzen.

***

Dieses Kapitel ist ein Teil des Buches Gönnhardt: Füchse, Kriege, Flüchtlingskrise. Ich hoffe, dass dir die Kostprobe gefallen hat. Ich denke allerdings, dass es mehr Spaß macht, wenn man das Buch als Komplettpaket liest. Was dich trennt? Die Bestellung. Keine Sorge: Falls du das Buch kaufen möchtest, musst du nicht viel Geld ausgeben.

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