Gönnhardt: Kapitel 10

Verbrecher.

Anne hätte beinahe ihr schlafendes Kind fallenlassen, als sie ihr Wohnzimmer betrat. Gönnhardt war weg. Geflohen? Nein, das kam ihr nach all ihren Wohltaten nicht in den Sinn. Sie vermutete das Schlimmste: Diebe mussten Gönnhardt entführt oder Entführer ihn gestohlen haben. Es wäre der gleiche Unterschied.

Die Wohnung war zum Eiszapfen geworden. Der Grund? Die Balkontür stand offen. Nicht sperrangelweit, aber spaltbreit.

Anne ärgerte sich über ihre Naivität. Sie dachte immer, dass der Balkon im zweiten Stock und über einer belebten Straße als Einbruchschutz genügen würde. Das dünne Bäumchen, an dem sie jeden Monat neue Meisenknödel anbrachte, kam ihr besonders in den kahlen Wintermonaten zu schmächtig für eine Räuberleiter vor. Und sowieso: Wachsame Augen neugieriger Nachbarn sollten doch die beste Alarmanlage sein. Diese Verbrecher wurden einfach immer dreister. Hätte sie bloß den Rollladen runter gelassen. Wütend über sich selbst warf sie die Glastür zu.

Anne schimpfte sich selbst aus: Dumm, dumm, dumm.

Dann kniff Anne die Augen zusammen, flüsterte vor sich hin: So dämlich.

Als sie die Augen wieder öffnete, stellte sie erleichtert fest, dass ihre Dummheit nicht nochmal bestraft wurde: Tim schlief noch. Auf Zehenspitzen tapste sie durch die Wohnung, um Bestandsaufnahme zu machen. Tim drückte sie zu ihrer beider Sicherheit fest an sich. Es war komisch, die Diebe hatten nichts geklaut. Dann, als Anne erleichtert ausatmete, sah sie ihren Atem. Es war noch seltsamer, denn die Entführer hatten auch niemanden mitgenommen. Gönnhardt war noch da. Anne stockte der Atem, während sich ihre Verwirrtheit in Luft auflöste.

Was war geschehen? Das war geschehen: Gönnhardt hatte es sich schwitzend im Badezimmer bequem gemacht. Er vermied sogar den weichen Badewannenvorleger, doch es half nicht. Er konnte einfach nicht einschlafen. Solche Temperaturen war er vom Fuchsbau nicht gewohnt. Sogar die blanken Badezimmerfliesen waren zu einer Fußbodenheizung geworden. Gönnhardt zog auf der Suche nach einer Abkühlung abermals durch die Wohnung.

Da kam es ihm: Die Rettung lag hinter der Tür zu dem kleinen Freiluftgehege. Draußen war es schön kalt.

Also hat dieser kleine Schlawiner Gönnhardt die Tür zum Balkon aufgemacht. Wie Gönnhardt dieses Kunststück fertigbrachte? Es war ein erbärmlicher Anblick. Er verstand zwar das Prinzip, hat er es doch bei Anne ein paar mal beobachten können. Aber die Umsetzung, oh je. Ersparen wir Gönnhardt die Schmach, genauer darauf einzugehen. Belassen wir es bei diesen Andeutungen: viele Sprünge, einige Beulen und noch mehr Bisse. Der Türgriff zum Balkon sah, nachdem die Tür endlich offen war, aus wie ein Hundespielzeug. Gönnhardts Schädel ähnelte einer Hügellandschaft.

Durch das übergroße Fenster wurde es schnell angenehm kalt im Wohnzimmer. Aber so war es dem Fuchs auch nicht recht. Auf seinem eigentlichen Schlafplatz war es Gönnhardt zu zugig. Deshalb bettete er sich schließlich doch auf den Teppich im Badezimmer.

Genau dort fand Anne ihren mietfreien Untermieter, während sie aufgeregt und pochenden Herzens nach den Spuren der Entführer und/oder Diebe suchte.

Anne legte erstmal den schnarchenden Tim in sein Bett. Mütterlich drehte sie die Heizung in seinem Zimmer auf 5, bevor sie die Tür schloss.

Gönnhardt schlief zwar seelenruhig, aber Anne war so durch den Wind, dass sie ihn einfach wecken musste. Sie brauchte sowohl Erklärungen als auch offene Ohren. Ihre Winteraccessoires ließ sie an, Minusgrade außerhalb kühlen eine Wohnung eben runter. Gönnhardt erschrak nicht schlecht, als er von einem vermummten Schneemonster geweckt wurde.

Frau und Fuchs hatten sich schnell ausgesprochen. Das Zischen aus dem Bad weckte Tim einmal kurz auf, doch die mollige Wärme knockte ihn schlagartig wieder aus. Anne versprach hoch und heilig die Heizung hinter der Couch nie wieder voll aufzudrehen. Gönnhardt versprach nichts. Er fand, dass er alles richtig gemacht hatte. War er dem Erschwitztod doch haarscharf entronnen.

Es wurde in dieser eisigen Nacht sogar noch weihnachtlich. Behutsam legte Anne ein kleines rot-grünes Quadrat auf den Couchtisch. Gönnhardt bekam sein allererstes Weihnachtsgeschenk von einem Menschen. Gönnhardt, der von seinen vorherigen Geschenken nie recht begeistert war, wollte diese dümmliche Tradition schnell hinter sich bringen. Er setzte an, die Verpackung mit den Tannenbäumen zu zerfetzen. So wie er es bei den angefaulten Äpfeln, gefrorenen Maiskolben, schwarzen Nüssen und durchgekauten Tennisbällen, die es in den letzten Jahren bei den Bescherungen gab, gemacht hatte. Gönnhardt bleckte die Zähne. Ausgepackt wird auf füchsisch genau so, wie man es sich vorstellt: Einfach in den Mund nehmen und kräftig schütteln. So ging Gönnhardt zum Tisch und biss in das Geschenkpapier. Das war jedoch gar nicht der Ablauf, den Anne geplant hatte. Der Fuchs sollte doch an dem Geschenk schnuppern, mit der Tatze an dem Geschenkband spielen und sie schließlich mit Hundeaugen um Hilfe anbetteln. Sie wurde zur Sirene: Haaahaaalt.

Grob riss sie ihm das Geschenk aus der Schnauze.

Zum Glück hat Tim vor wenigen Stunden mehrmals vor Freude getanzt, ist quiekend um den Tannenbaum gerannt und hat sich des Öfteren um die eigene Achse gedreht, bis er das Gleichgewicht verlor. Seine Kraft war offensichtlich restlos aufgebraucht, ansonsten wäre er nochmal aufgewacht.

Schöne Bescherung, dachte Gönnhardt. Gönnhardt war bedient, verunsichert legte er seine Ohren an den Kopf.

Anne: Ich mach das mal lieber.

Aus dem Papier fischte sie eine rote Dose. Aus der roten Dose zog sie ein kleines Tütchen mit roter Paste. Dann schüttelte sie das Tütchen vor Gönnhardts Augen, wie man es bei faulen Katzen mit Spielzeugmäusen macht, um sie zu animieren irgendwas zu tun. Und so wie die faulen Katzen reagierte auch Gönnhardt: gar nicht.

Anne: Gönnhardt, das habe ich bei meinen Eltern aufgetrieben. Wenn du wirklich in einer ausweglosen Lage bist, kannst du das Päckchen aufbeißen und das Gift schlucken. Ich hoffe, dass es nie so weit kommt. Aber du weißt schon.

Gönnhardt nickte. Er war froh, Anne für ihren Schabernack eben nicht in die Hand gebissen zu haben. Das hätte daneben gehen können. Der Fuchs: Danke, ich bin dir sehr dankbar.

Nun hatte der kleine Fuchs natürlich keinen Rucksack, in dem er Sachen verstauen konnte. Er hatte auch keine Geheimfächer in seinem Fell angelegt, wie er versicherte. Daher wurde das Päckchen Rattengift mit reichlich Klebeband und einer Sicherheitsnadel in Gönnhardts Hutkrempe befestigt.

Ja, trotz Erschöpfung und später Stunde schaffte es Anne ohne ein löcherndes Piksen.

***

Dieses Kapitel ist ein Teil des Buches Gönnhardt: Füchse, Kriege, Flüchtlingskrise. Ich hoffe, dass dir die Kostprobe gefallen hat. Ich denke allerdings, dass es mehr Spaß macht, wenn man das Buch als Komplettpaket liest. Was dich trennt? Die Bestellung. Keine Sorge: Falls du das Buch kaufen möchtest, musst du nicht viel Geld ausgeben.

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