Gönnhardt: Kapitel 11

So geht das nicht.

Im Laufe des Tages stellte sich heraus: Gönnhardt war ein schlechter Einfluss.

Am dazugehörigen Morgen war es nämlich so: Der kleine Tim kam frühmorgens aus seiner Koje gekrochen. Wie üblich wurde Tim von seiner Mutter erst geknuddelt, dann genötigt, etwas zu trinken. Nach einem letzten großen Schluck erklärte Anne ihrem Sohn: Heute machen wir uns einen Gemütlichen zuhause.

Anne freute sich auf die Harmonie ihrer Männer. Die beiden sollten schmusen und spielen. Sie selbst wollte in aller Ruhe putzen und in den Pausen ganz, ganz niedliche Fotos von ihnen knipsen. Es fing auch gut an, Tim zeigte dem Fuchs stolz seine Geschenke. Er legte die Schätze fein säuberlich in die Mitte des Wohnzimmers und beantwortete brav, von wem denn das da war. Tim: Weihnachtsmann. Tim: Weihnachtsmann. Tim: Weihnachtsmann. Tim: Weihnachtsmann.

Tim schloss seine Schau mit einer überflüssigen Aussage: Alles for mich!

Gönnhardt war leicht irritiert von diesem kleinen Angeber. Er hätte ihn gerne ebenfalls beeindruckt, aber er konnte nur immer wieder beteuern, dass er wirklich nichts, nein echt nichts außer seinem Hut besaß. Einmal war Gönnhardt drauf und dran, den Angeber mit seinem Geschenk (dem Gift!) spielen zu lassen. Er besann sich aber selbstverständlich eines Besseren.

Tim zeigte wenig Mitgefühl. Er ging in sein Zimmer und schleppte noch mehr Zeug an, das er Gönnhardt zeigen wollte. Gönnhardt beendete die letzte Präsentation, bevor sie begann. Gönnhardt: Du hast echt viele Sachen, schön für dich. Genug gesehen, er wollte jetzt fernsehen.

Zumindest ein Teil von Annes Wunschtraum ging in Erfüllung: Sie durfte spülen, aufräumen und auch noch saubermachen. Jippie!

Nachdem sie das mitgebrachte Weihnachtsmahl von Oma Majeski weggefroren hatte – die Gute kochte immer viel zu viel – holte sie Tim aus seinem Kinderzimmer und platzierte ihn neben Gönnhardt auf die Couch. Anne fand hinter den Jungs ein Plätzchen für sich und ihre Kamera.

Anne: So und was macht ihr zwei Hübschen jetzt?

Gönnhardt: Ich will Fernseher schauen.

Tim: Ich will auch Fernseher sauen.

Anne: Tim … SCHHH! Wir wollen nicht, wir möchten. Und fernsehen ist doch langweilig. Der Tim hat so viele Geschenke bekommen, mit denen man tolle, neue Dinge lernen kann.

Gönnhardt: Fernsehen macht doch auch schlau, vielleicht lernt Tim dann endlich besser zu sprechen.

Tim: Ja, slau maSCHHHen.

Wo Gönnhardt recht hatte. Anne verkniff sich das fällige CHHH, das wurde ihr jetzt zu blöd. Sie setzte einen Haken an ihren Sprachunterricht. Das Thema war hiermit abgehakt. Tim würde das mit der Zeit schon lernen.

Anne versuchte mehrmals, die pädagogisch-wertvollen Spielsachen schmackhaft zu machen – vergeblich. Nun ja, es war Weihnachten, sie hatten Besuch. Dann durfte Tim eben mal fernsehen.

Gönnhardt schaute eine Sendung mit fluchenden Verbrecherjägern. Tim also auch. Anne bekam Kopfschmerzen bei dieser sinnfreien, menschenverachtenden Unterhaltung. Nachdem sie ein paar Erinnerungsfotos aus einem Winkel, auf dem der Fernseher nicht zu sehen war, geknipst hatte, verkrümelte sie sich. Sie hatte sowieso noch einen Berg von Aufgaben, der in der Küche wartete, versorgte die beiden aber mit Erfrischungen. Wobei die Betonung auf frisch lag, denn es gab Gemüse.

Während Anne in der Küche Grünzeug schnibbelte, wechselten die Programme zwischen Actionserien und Komödien. Hauptsache ein Sender, der nichts Altersgerechtes zeigt, fand Gönnhardt. Tim sollte ja etwas Neues lernen. Anne schluckte ihren Zorn runter, als sie Milch und eine Gemüsemischung brachte, sagte leise zu sich selbst: Es ist Weihnachten, es ist Weihnachten, es ist Weihnachten. Ihr Mantra beruhigte nur kurz. Wahrscheinlich hätte sie es mit einem klassischen Ommm versuchen müssen.

Es gab aufgrund lautstarker Proteste Essen auf dem Sofa statt an dem Tisch. Da es bei Gönnhardt außerdem zum Mittagessen Pizza gab, verweigerte Tim seinen Rohkostteller, den er immer um diese Uhrzeit bekam. Anne sah vor dem inneren Auge, wie der Fuchs Monate der Erziehung zunichte machte. Dabei hatte es so viel Mühe gekostet, den kleinen Menschen abzurichten.

Gönnhardt hinterließ in dem Moment, als Anne mit einem selbst pürierten Glas Gemüsesmoothie ins Wohnzimmer kam, Fettflecken an der Balkontür. Er wollte es beim Pizzaessen schön kühl haben. Tim war von der Energie der Sprünge angesteckt. Er warf Karotten Richtung Balkon und pfefferte Sellerie an den Schädel seiner Mutter. Dieser gesalzene Treffer war zu viel des Guten.

Anne zog sich zurück. Das leise Selbstgespräch verhallte in den Kacheln des Badezimmers: Bleib ruhig. Der eine ist ein kleiner Junge, der andere ist ein kleiner Fuchs. Sie wissen es nicht besser. Es sind wunderbare Kreaturen, du hast nicht das Recht sie anzubrüllen.

Einen Schlussstrich konnte Anne nicht ziehen. Deshalb handelte sie erst einen Kompromiss mit ihrem Gewissen, dann mit ihrem Spiegelbild aus.

Anne, mittlerweile nicht mehr rot angelaufen, aber zurück im Wohnzimmer: Gönnhardt, der Tim sieht dich als Vorbild, der macht dir alles nach. Diese dreier Konstellation … mit dir … ist nicht gut für uns. Es wäre vielleicht besser, wenn Tim erstmal bei meinen Eltern schläft, bis wir gewisse Regeln des Zusammenlebens erörtert haben.

Gönnhardt hatte nichts einzuwenden. Der kleine Mensch war zwar lustig, hatte jedoch einen großen Appetit und bisher doppelt so viele Stücke wie er verschlungen. So blieb mehr Pizza für ihn. Gönnhardt nickte und überzeugte Tim mit wenigen Worten. Futterneid kann eben einen Keil in jede Freundschaft treiben.

Anne schnappte sich das Telefon. Sie besprach ihren Plan mit Tims Großeltern und machte Nägel mit Köpfen. Oma und Opa waren immer froh, wenn sie den Enkel über Nacht bekamen. Schließlich mussten sie dann nicht immer wieder die gleichen, abgedroschenen Gespräche führen. In den letzten Wochen haben die beiden die spannende Wahl zwischen Streusalz und Streusand gefühlte zehnmal mal durchgekaut – inklusive Preisvergleich. Offiziell eingestanden wurde die Themenarmut freilich nicht. Der vorgeschobene Grund für die spontane Zusage war: Die teure Kindermatratze sollte sich doch gelohnt haben.

Keine Stunde später saß Tim mit Sack und Pack vor dem Fernseher von Oma und Opa. Tim machte sich am Tag nach der großen Bescherung direkt beliebt. Statt den teuren Geschenken von Weihnachtsmann und dessen Doppelgängern nahm er lieber sein ramponiertes, gebrauchtes Auto und die alte Parkgarage mit. Als er das sah, rutschte Opa ein schnippischer Kommentar raus: Ganz die Mutter. Da macht Schenken Spaß. Da hatte der arme Opa Majeski die Geschenke von Santa Claus und seinen Zwillingsbrüdern ganz alleine bezahlt, doch der kleine Bengel wollte scheinbar nicht mit dem teuren Plunder spielen. Ärgerlich!

Opa Majeski zu Oma Majeski: Siehst du. Ich hätte doch das spuckende, grüne Monster kaufen sollen. Die Anne hat doch keine Ahnung, die hat einen Geschmack wie ein Lehrer.

Das wollte er seiner Tochter heimzahlen. Er setzte sich zu seinem Enkel. Die beiden schauten Stunden über Stunden fern. Opa wechselte die Programme zwischen Actionfilmen und Komödien, Hauptsache nichts Altersgerechtes.

Anne wird das erst mitbekommen, wenn Tim brühwarm erzählt, dass er nichts gespielt, nichts gelernt, sondern nur gefernt hatte. Bis dahin konnte sie sich an ihrer guten Entscheidung ergötzen. Den Nachwuchs-Majeski auszuquartieren, sollte sich als richtiger Riecher bewahrheiten.

***

Dieses Kapitel ist ein Teil des Buches Gönnhardt: Füchse, Kriege, Flüchtlingskrise. Ich hoffe, dass dir die Kostprobe gefallen hat. Ich denke allerdings, dass es mehr Spaß macht, wenn man das Buch als Komplettpaket liest. Was dich trennt? Die Bestellung. Keine Sorge: Falls du das Buch kaufen möchtest, musst du nicht viel Geld ausgeben.

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