14. September, 10 Uhr 19

Ich bin in der Stimmung, mir hier und jetzt einen hinter die Binde zu kippen. Einen besonderen Grund gibt es nicht, den brauch ich zum Saufen auch nicht. Aber die Zeit bis Feierabend würde bestimmt schneller vergehen. So ein bisschen Bewusstseinserweiterung hat noch nie geschadet. Ich weiß nicht so recht, was mich eigentlich davon abhält. Geschäftsfähig bin ich auch mit ein paar Promille. Der gute Maas würde mir wohl noch auf den Rücken klopfen und meinen, dass ich mir das verdient habe. Bei dem habe ich schließlich einen Stein im Brett, nachdem ich ihm so mutig beigestanden habe. Nun ja, da ich mich eh nicht überwinden kann, hier heimlich zu schlürfen, wie mein alter Physiklehrer aus seinem Flachmann, gehen wir mal zur Vergangenheitsbewältigung über.

Der Abend mit Anna war, nachdem ich wieder hochgestiefelt bin, nett. Als ich bei ihr rein bin, kam sie frisch aus dem Bad. Sie hat mich mit nassen Haaren und Badetuch begrüßt, sich dann direkt wieder in ihr Badezimmer zurückgezogen. Dort hat sie dann reichlich Zeit verbracht… Ich wollte schon klopfen, nach sah sie zwischenzeitlich in einer roten Wanne liegen.

Glücklicherweise kam ihr großer Auftritt, bevor ich mich lächerlich machte. Sie hat sich tatsächlich noch mal aufgebrezelt. Sie: „Ich wollte mich für dich schick machen.“ Eine besonders nette Geste, weil sie auch noch ihre neue Jeans angezogen hat. Darin hat sie einen schicken big ol‘ booty, ich konnte mich nicht beschweren. Ihre Auszeit im Bad hat sich gelohnt. Sie war zum Anbeißen, lecker Mädsche.

Dies hatte jedoch den Nachteil, dass sich das Kochen nach hinten verschoben hat, es somit noch eine halbe Ewigkeit dauerte, bis sie damit fertig war.

Da jedes noch so kleine Gemüse gewaschen, geschält, geschnitten werden wollte, da sie nicht wirklich Übung hat, da sie es vorsichtig und gut machen wollte, hat sich der ganze Kochvorgang in die Länge gezogen wie ein Peter Jackson Film in der Extended Edition. Ich saß daneben, durfte nicht helfen und wäre fast ausgeflippt. So wurde aus dem Abendessen ein Nachtmahl. In der Zwischenzeit habe ich so viel Wein getrunken und geknabbert, dass ich eigentlich keinen Hunger mehr hatte, als sie ihre Gemüselasagne auftischte. Was Länge währt, wird gut. Das Essen hat zum Glück geschmeckt. Um zu solch später Stunde zu flunkern, wäre ich wohl zu betrunken gewesen. Dementsprechend spät sind wir ins Bett.

Heute beim Aufwachen hat sie wieder gequasselt, sag ich dir. Sogar nach dem kurzen Schlaf! Ich vermute: Je vertrauerter ihre Umgebung, desto mehr Staudämme brechen bei ihrem Wasserfall von Mund. Während ich versuchte, die morgendlichen Kopfschmerzen durch zwei, drei Tassen Kaffee zu bekämpfen, hat sie ihren Tagesplan heruntergerattert. Sie hat diesen Termin und jene Verabredung. Die eine hat Geburtstag und das hat sie letztes Jahr gemacht. Und dies und das und besonders jenes und solches. Ich konnte mich wirklich nicht darauf konzentrieren. Morgens beschäftige ich mich mit den wichtigen Themen des Lebens. Ich habe mich gefragt, warum die Außenseite von Socken weicher ist als die Innenseite. Das macht doch gar keinen Sinn.

Zum Glück konnte ich mich früh ins Kiosk flüchten. Ich bete, dass sie nicht noch zum Schnacken vorbeikommt. Dann wäre es nämlich ein Nachteil, dass ich mich nicht umbringen kann.

Ich bin gerade richtig neidisch auf einen der Hansel, der gerade hier war. Nicht nur, dass er einsam aussieht und sein Morgen bestimmt schweigsam, leise und ruhig war. Er hat auch einen fetten Gewinn abgeholt. Lotto lohnt sich manchmal doch. So ein paar hundert Euro auf die Kralle könnte ich jetzt auch gebrauchen. Vielleicht sollte ich ihn verfolgen und ausrauben?!

Und da ist es: Jetzt muss ich mich schlecht und schuldig fühlen, weil ich Anna eben ein bisschen schlecht gemacht hab. Gerade kam eine Mail von ihr: Hey du Süßling, tut mir leid, dass ich heute morgen so anstrengend war. War vollgepumpt mit Gefühlen, die einfach raus mussten. Sehen wir uns heute? Würde mich total freuen! Küsschen, Küsschen, Küsschen.