13. September, 19 Uhr 39

Heute war ich voller Sommergefühle. Vormittags habe ich eine ruhige Kugel geschoben, keine Sisyphusarbeit. Der Knaller war, dass der alte Maas zwei mal vorbeikam und sich nach mir erkundigt hat. Und mich (ich kann kaum glauben, dass ich diese Worte schreibe) gelobt hat. Er meinte, dass ich ein guter Arbeiter bin. Und ich hier eine Zukunft habe. War sicher nett gemeint. Aber ob ich bis an mein Lebensende Kioskwärter sein möchte, wage ich zu bezweifeln. Vielleicht ist er in mich verliebt oder will mich adoptierten. Ich wüsste, wie ich ihn einfach aus dem Weg räumen könnte. So ein Kiosk-Imperium zu erben, würde ich mir gefallen lassen.

Mittags haben wir, Anna und ich, uns einen schönen Tag gemacht. Ich habe an einem Tag mehr Geld ausgegeben, als ich in einer Woche verdiene. Früher, in meiner Zeit mit Alex, in der Zeit vor meiner Wiedergeburt, vor der Entdeckung hätte mich das beinahe in den Wahnsinn getrieben. Absolut undenkbar. Aber das war ein anderes Leben. Nun sage ich mir: Geld kommt und geht. Finanzen sind nicht viel mehr als Zahlen, was soll der Geiz.

Mit Anna durch die Straßen zu laufen ist ein gutes Gefühl. Mit ihr an meiner Seite fühle ich mich wie der Weltmeister im Schwergewicht nach einer erfolgreichen Titelverteidigung. Ich laufe die Straße entlang als wäre ich Mr. McMahon auf dem Weg zum Ring. In ihren engen Jeans sieht Anna so gut aus wie Sunny in ihren besten Tagen.

Wir waren abermals einkaufen, diesmal hab ich sie allerdings mit Getränken ruhig gestellt. Ich hatte einen im Tee. Prosecco in Dosen, ich muss dich loben. Sie hat ein Paar enge Jeans ausgesucht, die ihr gut standen, aber nicht weit genug reduziert waren. Anna mit schwerer Zunge: „Ach das ist zu teuer, das musst du mir doch nicht schenken“ Nach dem vornehmen Widerspruch hat sie die Hose aber doch angenommen. Steht ihr echt gut. Sie hatte dann noch die Idee, für mich zu kochen. Es ist quasi die Gegenleistung für die Einkäufe. Addiert mit ein paar Kleinigkeiten und einer Tüte Lebensmittel, musste ich auf dem Heimweg ganz schön schleppen. Mir soll es recht sein, bei dem Pack, das in der östlichen Kaiserstraße herumschleicht, ist es gar nicht verkehrt, wenn ich die Muskeln so oft es geht trainiere. Die Typen sind mir nicht geheuer. Wie Frauen nun mal sind, wenn andere mitessen: Sie hat demonstrativ viel Gemüse gekauft. Ein Unterschied zu den Fertigessen, die normalerweise in ihrem Kühlschrank liegen. Mir konnte es nur recht sein: Das passt zu meinem Fitness-Ernährungsplan wie die Faust aufs Auge.

Dort wäre meine geballte auch fast gelandet. Auf dem Rückweg bin ich fast in eine Schlägerei geraten. Da wir über den schmuddeligen Kronenplatz, der Halbstarke und Kleinstkriminelle beherbergt, laufen mussten, bin ich mit Vertretern eben dieses Klientels zusammengerasselt.

Diese Pack lungert nicht nur den lieben langen Tag herum, sie gingen mir auch auf die Nerven. Nicht nur, dass sie meine Begleitung übertrieben gemustert haben… die dummen Sprüche waren dann doch zu respektlos. Ich war mit meinen Taschen beladen wie ein Packesel. Beide Seiten voll, keine Hand frei. Kein Möglichkeit jemanden in den Speicher zu laden. Es wurde nicht handgreiflich, nur ein wenig lauter. Ich habe sie Dreck genannt, sie diverse Frauen in meiner Familie beleidigt.

Ich sitze nun hier und würde so gerne einen von denen einkassieren. Mir wäre egal welcher. Inzwischen müssen die so betrunken sein, dass sie mich nicht wiedererkennen. Ich könnte kurz vorbeigehen, einen streifen. Oder so tun, als ob ich sie kenne, Hand geben, und dann mein dunkles Spiel spielen. Einer weniger von denen, das wäre etwas. Etwas Gutes für die Welt. Träume, obwohl ich schäume.

Ich muss aber bald wieder hoch zu Anna. Wir haben uns nur zum frisch machen verabschiedet. Das heißt, dass ich diese Sache erstmal ruhen lassen muss. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Und da solche Leute ihre Hood nicht verlassen, muss ich nur ein wenig nach Ostereiern suchen, wenn ich mich revanchieren möchte. Die Eierköpfe sollten nicht schwer zu finden sein. Für heute ist Anderak erstmal schlafen gelegt, jetzt ist es wieder Zeit für Anders.