Liebes Tagebuch, ich wünschte, du wärst ein Groschenroman und meine Bekanntschaft eine schöne Schnulze. Dann könnte ich jetzt davon schwärmen, wie toll der Nachmittag doch war. Mit turteln, Händchen halten und am selben Eis schlabbern. Die Wahrheit sieht so aus: ziemlich nervig. Statt Momenten zum Einrahmen habe ich einen kompletten Tag zum Abhaken.
Das Ganze auf meine angespannte Situation zu schieben, wäre einfach, aber zu billig. Dieser Ausflug war echt anstrengend. Wie zu erwarten, war es voll im Einkaufszentrum. Voll heißt hektisch, hektisch heißt stressig. Und Stress ist Gift, wenn man eine holde Maid beeindrucken möchte.
Nicht nur die Rahmenbedingungen waren problematisch. Auch Anna war gewöhnungsbedürftig. Der Ablauf kam5 mir bekannt vor. Ich stundenlang am warten: mal mitten im Gang vom jeweiligen Geschäft, mal hinter jedem Regal herdackelnd, das sie auserkoren hat. Sie so: schauen, stöbern, „Das sieht ja süß aus, oder!“, anprobieren. Dann sagt der Regisseur dieses Affentheaters: Schnitt, nächster Laden, zurückspulen und dann die gleiche Szene wieder von vorne.
Das hat mich bei meiner Ex auch verrückt gemacht, diese epischen Zeitverschwendungen. Man lebt und lernt, aber ich leider nicht dazu. Wieso kann ich in solchen Momenten nicht einfach cool reagieren und entspannt sein? Nein, ich werde genervt und habe sogar die liebe Anna angepflaumt, als wäre sie eine treulose Tomate.
Angefangen hat die Verabredung sehr nett. Wir waren beide pünktlich, sind dann gemeinsam Richtung Stadtkern geschlendert. Ich hab ihr die Entscheidung aufgedrückt, was wir denn unternehmen sollen. Dass ich mich in der Karlsruher City nicht gut auskenne, war ein willkommener Vorwand. Sie hat die Mall (so sagt man wohl jetzt zum Einkaufszentrum) vorgeschlagen, da sie morgens einen Heuschnupfenanfall hatte. Ob Innenstadt oder Einkaufszentrum, ob Feinstaub der Baustellen oder gefilterte Krebsluft… der gleiche Unterschied.
Dort angekommen, wurden wir direkt von Rauchern am Eingang begrüßt oder eher verpestet. Meine arme Anna musste diese Giftwolken über sich ergehen lassen. Ich hüstelte gekünstelt, um ihr Solidarität zu vermitteln. Dass wir beide Nichtraucher sind, war dann eine willkommene Gemeinseinkam. Drinnen war die Luft zwar auch nicht frisch, aber zumindest pest- und pollenfrei. Dann kam das übliche Bild: Es reihen sich Geschäfte an Läden an Stores und Shops. Schon bevor wir im ersten Geschäft waren, wurde mir wieder bewusst, dass diese Konsumwelt nicht mein Ding ist.
Wir sind in die verschiedenen Klamottenläden gegangen und haben so geguckt, was dem anderen gefällt. Die gegenseitigen Geschmäcker so ein wenig abgeschätzt. Irgendwann kam dann wohl Kauflaune, angesteckt durch die diversen Sales, bei ihr auf. So wurde aus der bisherigen ungefähr fünfminütigen Verweildauer in einem Laden eher eine halbe Stunde. Da haben nicht mal Läden, die es in dieser Mall doppelt gibt, keine Ausnahme gemacht. Sie hat viel anprobiert, aber nichts gekauft, weil sie sparen möchte… ok. Dass sie nach der Aussage weitere Läden durchsucht hat, hat mich dann nur noch genervt.
Einfach nur Rumstehen ist wirklich das Schlimmste. Andere Leute beobachten und mustern, ist nur bis zu einem gewissen Punkt unterhaltsam. Viele Frauen sahen sehr gut aus, viele waren schrecklich geschminkt. Der Vergleich mit anderen Männer und zu überlegen, ob ich bei dessen Begleitung eine Chance hätte, ist auch nur ein kurzweiliger, frustrierender Spaß.
Nach etwa drei Stunden Aufenthalt flackerte nur noch eins auf: Ich will hier raus! Trotz der aufgeregten Stimmung und der Geräuschkulisse, die einen Hörsturz verursachen könnte, hatte ich zu viel Zeit zum Grübeln. Zum Grübeln darüber, wie ätzend es doch ist. Dann sind die Gedanken wieder um mich und meine Probleme gekreist. Ich kann nicht ernsthaft bis an mein Lebensende in einem Kiosk arbeiten.
Anna bekam den Frust leider zu spüren. Ich wurde zwischendurch immer mal wieder pampig. Wenn ich etwas Positives herausziehen müsste: Ich wurde nicht ausfallend. Hoffentlich war mein passiv-aggressives Verhalten nicht so schlimm, wie ich es mir gerade vorstelle.
Ich habe mir ein paar Dinge gegönnt. Das war bitter nötig. Anna hatte da schon recht: Wie kann man in 10 Jahre alten Shirts am Puls der Zeit leben? Sie hat mir ein paar coole Sachen empfohlen und ein paar ausgeredet (angeblich bin ich für Superhelden-T-Shirts zu alt). Kombiniert mit den kleinen Aufmerksamkeiten, die ich Anna nach den unterschiedlichen Meckerattacken zur Besänftigung kaufte, hier und der Verpflegung dort, ging dieser Tag richtig ins Geld. Um ehrlich zu sein, ist das sehr enttäuschend. Es war ja kein Tag im Luxus, nicht mal im Discounter-Deluxe-Segment, dennoch stieß ich an meine finanziellen Grenzen.
Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Freundinnen sind teuer. Sollte ich es nicht vermasselt haben, muss ich Anna beim nächsten mal auf ein Picknick mit Leitungswasser und Broten einladen. Klingt nach dieser Kaufhölle trotz Schmach gar nicht so übel.
Für heute soll es das gewesen sein, mein Bett schnurrt schon. Die Decke ruft und das Kissen schmeichelt mir.