6. September, 13 Uhr 49

Zuhause.

Eben war Maas wieder normal. Ich bin erleichtert, da ich mit der Kündigung gerechnet habe. Aber er war von meinem Anfall offensichtlich beeindruckt. Normal ist für seine Verhältnisse zwar nicht nett, aber erträglich. Er meinte: „Se machen schon n guten Job hier.“ Damit war die Aussprache dann auch erledigt. In der Folge haben wir beide so getan, als wäre morgens nichts vorgefallen. Das soll mir recht sein. Ich hatte sogar überlegt, ob ich mich entschuldigen soll. Das hätte mein Stolz aber nicht zugelassen. Zuguterletzt hat auch die Kasse gestimmt, das wäre peinlich gewesen, wenn ich da einen groben Schnitzer drin gehabt hätte.

Nun gut, jetzt ist erstmal Feierabend. Der Rest des Tages gehört mir. Ich bin gerade dabei runterzukommen. Mittlerweile könnte ich ein Loch im Bauch haben, so oft habe ich tief durchgeatmet. Ich muss mich jetzt am Riemen reißen. Gleich habe ich eine Verabredung mit Anna. Juchu! Wir wollen uns um 15 Uhr im Treppenhaus treffen. Hat durchaus Vorteile, wenn man im selben Haus wohnt. Vor allem, wenn man von pünktlicher Natur ist, was ich bin. Anna hat so nämlich keine Ausrede, wenn sie zu spät kommt. Da kann nicht mit Bahn ist einfach nicht gekommen geblufft werden, obwohl sie zulange gebürstet und gestylt hat.

Um 15 Uhr 01 wird sturmgeklingelt, falls sie nicht stramm im Gang steht. Spaß beiseite. Ich bin echt froh, dass ich Anna kennengelernt habe, ich mag sie wirklich gerne. Ich möchte in dieser Situation also nichts vermasseln. Wenn es um Anna geht, bewege ich mich auf Zehenspitzen wie eine Ballerina. Wenn ich Fehler mache, gibt es mehr als nur Abzüge in der B-Note.

Ich bin kurz davor, ihr zu sagen, dass ich mich verliebt habe. Vielleicht sollte ich ihr noch einen Willst-du-mit-mir-gehen-Brief schreiben, bevor ich rausgehe. Aber das ist wahrscheinlich zu schnell zu viel Hingabe. So viele Verabredungen waren es noch nicht. Das kann ich nicht bringen.

Ich werde auf Nummer sicher gehen, versuchen ein paar Pluspunkte zu sammeln wie Pokemon. Wir wollen Shoppen gehen. Ich habe zwar ausreichend Barschaft geholt, aber leider keine Spendierhosen an, nur alte Jeans. Mein Kontostand ist nämlich beinahe eine Nullnummer wie ein torloses Unentschieden. Ich bin kein Fan von Einkaufstouren, aber da das Frauen gerne machen und man so immer was zu quatschen hat, ist es doch eine gute Idee. War sogar mein Vorschlag. Sie soll ja sehen, wie weltmännisch ich bin. Voll aufgeschlossen und all das, auf das die Frauen derzeit wert legen. Metro, hipp oder wie man das nennt, ich habe keine Ahnung.

Ich fühle mich wie vor dem ersten Date. Ich stand gerade vor meinem vollen Kleiderschrank und trotzdem herrschte gähnende Leere: Das geht nicht, weil ich darin fett aussehe. Dies kann ich nicht anziehen, weil es uralt ist. Und wenn ich Jenes trage, könnte Anna auf die falschen Gedanken kommen.

Ich denke, ich sollte mir von ihr mal ein paar Tipps geben lassen, was ich mir an Klamotten kaufen sollte. Dann liege ich zumindest in Zukunft richtig.