31. August, 18 Uhr 09

Liebes Tagebuch, länger nicht gelesen. Ich hätte gerne etwas geschrieben, aber mir haben die passenden Worte gefehlt. Nur Leere. Die letzten Tage habe ich versucht, die verrückten Zufälle, die eigentlich keine sein können, zu erklären. Das war nicht einfach.

Erst mal das Positive der vergangenen Tage. Mit Anna hatte ich jeden Tag Kontakt, wir hatten sogar schon ein Date. Die Polizei hat sich bei ihr nicht mehr gemeldet.

Nun habe ich in den letzten Tagen recherchiert. Ich habe mich erst in die Geisteskrankheiten gestürzt. Der Verdacht: dass ich eine gespaltene Persönlichkeit habe. Es könnte demnach sein, aber die Symptome sprechen nicht wirklich dafür. Ich verliere keine Zeit in meinem Tag. Die Blackouts sind auf das Saufen und den Unfall zurückzuführen. Ich habe sicher meine Probleme, aber dadurch wird man nicht zum Mörder, der sich an nichts erinnert und Spuren hinterlässt. Die Suche nach den diversen Krankheiten war im Endeffekt Zeitverschwendung. Fast jede Krankheit wurde so schwammig beschrieben, dass ich sie haben oder nicht haben könnte.

Genug Psychogedöns. Weil ich keine Lust hatte, auch noch Hypochonder zu werden, bin ich in andere Tiefen des Netzes vorgedrungen. Dort wurde es spannender. In der Mythologie gibt es einen finnischen Dämon, der Menschen getötet hat, nachdem er sie berührte. Er konnte sie Tage und Monate nach dem Kontakt töten. Er hinterließ stets eine Karte, damit die Morde ihm zugeschrieben werden konnten. Vom Aussehen her erinnern sie an eine Mischung aus Tarotkarten und Hieroglyphen. Auf den Karten war das Vergehen gemalt, dessen das Opfer beschuldigt wurde.

Über die Jahre sollen es laut der Artikel, die ich gelesen habe, über 300 Opfer gewesen sein. Sein Name war Kuningas Itsemurha. Er hat Jagd auf Verbrecher und zwielichtige Gestalten gemacht. Vielleicht bin ich dessen Reinkarnation…

Ich meine, ich war der letzte, der die Nachbarin und den Penner berührt hat. Ich muss gestehen, dass mir diese Möglichkeit viel besser gefällt, als gestört zu sein. Bestimmt lauert hinter meiner menschlichen Maske ein Monster wie Jason.

Ich weiß nicht, wie oder warum es passiert. Auf mir muss ein Fluch liegen. Oder ist es ein Segen? Wenn ich sterbe oder sterben soll, stirbt die Person, die ich zuletzt berührt habe, an der selben Verletzung. Das heißt: Ich bin für den Tod verantwortlich. Das ist eine bittere Pille, zuckerfrei und ohne Süßstoff. Da wollte ich dieser armen Seele etwas Gutes tun, stattdessen habe ich ihr einen schmerzvollen Tod beschert. Ich fühle mich gerade richtig mies. Schuldig, schlecht, schäbig. Dabei war es nur ein Unfall.

Der Tod der Frau tut noch mehr weh. Ich habe mir nicht mal ihren Namen gemerkt. Ich hatte sie nach zwei Nächten abgehakt, ihre Erinnerung ist verblasst wie ein gefangener Fiesling im Keller.

Was ergibt sich denn jetzt für mich? Welche Konsequenzen muss ich daraus ziehen. Mich stellen? In Therapie gehen? Ich bin aufgewühlt wie eine Wiese nach Wildschweinbesuch.

Ich bin wohl ein schlechter Mensch, der eine Strafe verdient, denn ich fühle mich zu gut, um wegen anderen bestraft zu werden.