28. August, 19 Uhr 58

Ich bin aufgesprungen und in der effektivsten Kombination von schnell und geräuschlos sein in meinen Gang geeilt. Mein Ohr war an die Tür gepresst. Ich konnte kaum etwas verstehen. Neugier > Vorsicht. Ich öffnete die Tür einen Spalt. Jetzt bloß nicht quietschen.

Ein Mann: „… Behrens, wir haben ein paar Fragen bezüglich eines Unfalls können wir reinkommen.“

Anna antwortet.

Sie sagte… unverständliches Gemurmel. Igendjemand hat just in dem Moment seinen Staubsauger angemacht. Die verschiedenen Geräusche vermischen sich zu einem lauten Einheitsbrei.

Ich bekam nur noch ein letztes Geräusch von diesem Gespräch mit: Annas Wohnungstür schloss sich.

Mein Herz schlug vom Herz über den Hals bis in die Schläfen. Ich lief von Tür zum Fenster. Das Auto stand noch. Was wollen die denn von Anna? Ich hatte Angst um sie, ich hatte Angst um mich. Die Tür habe ich offen gelassen, damit ich nichts verpassen würde. Bin vom Fenster auf Zehenspitzen durch die Tür ins Treppenhaus – nichts zu hören.

Ich verharrte jetzt in Schockstarre, versteckte mich hinter meiner Tür und klebte am Guckloch. Nach den längsten Minuten – es waren nur 8 – meines Lebens tat sich etwas im Flur.

Ich fühlte mich als hätte ich übersinnliche Kräfte. Ich konnte jeden Schritt spüren. Die Schritte wurden lauten, machten Halt an meiner Tür.

Die selbe männliche Stimme: „Hier waren wir diese Woche doch schon, Klaus. Das Haus ist verhext, sag ich dir.“

Die Schritte entfernten sich. Klaus und sein Kollege verließen mein Stockwerk. Ich wartete noch kurz, sprintete ans Fenster. Dort vergrößerte den Blickwinkel so weit es ging. Es waren doch tatsächlich die beiden Polizisten, die mich letztens interviewt haben. Ich stellte sicher, dass sie fuhren, versuchte dabei unentdeckt zu bleiben.

Nach der Abfahrt verharrte ich noch eine Weile am Fenster. Um auf Nummer sicher zu gehen.

Und dann saß ich wieder am Tisch. Versuchte zu kombinieren, doch musste feststellen, dass ich mangels Informationen nur mutmaßen konnte.

Das war kein Zustand: Ich wollte wissen, was passiert war. Ungewissheit hielt ich in dem Moment nicht aus. Was hat Anna ihnen erzählt? Etwas über mich? Bohrende Fragen, Kopfschmerzen.

Erstmal ein Bier zur Beruhigung, ein Bier zum Mut machen und zum Betäuben.

Ich könnte ihr einfach eine Nachricht schicken oder sie anrufen. Ich sag ihr, dass ich die Polizei gesehen hab, ob bei ihr alles in Ordnung ist. Das ist es.

Wo war dieser gottverdammte Zettel mit der Nummer?! Das konnte doch nicht wahr sein. Ich fand ihn einfach nicht. Wo war dieser dämliche Paketzettel? In meinem Geldbeutel waren nur die Überreste von dem alten Zettel, den Anna beschriftet hat. Aber wo war mein fein-säuberlicher Paketzettel? Es war zum verrückt werden. Aber es half nichts… Die Tinte von Annas Zettel war durch die Feuchtigkeit vollkommen verschmiert. Statt der Telefonnummer von Anna war da nur noch eine Aquarellwolke zu sehen.Warum musste das ausgerechnet mir jetzt passieren? Ich konnte die eine Nummer nicht finden, die zweite nicht mehr entziffern. Super.

Zweites Bier, währenddessen sammelte ich meinen Mut wie Pilze im Herbst. Ich legte mir meine Gründe und Geschichte zurecht. Ich musste mich beeilen, nicht dass sie weg war, wenn ich auf der Fußmatte stand. Ich wollte nicht in Ungewissheit an der Tür warten bis sie zurückkommt wie ein artiger Hund.

Dieses Bier werde ich leertrinken, dann geh ich hoch und klingel bei ihr. Ich habe schon genug Zeit vertrödelt. Damit ich keine auffällige Fahne habe, nahm ich zwei Flaschen mit, als Begrüßungsgeschenk oder was auch immer.