Ich wünschte, ich hätte mir beim Frühstück eine To-Do-Liste gemacht. Es wäre richtig befriedigend gewesen, einen Haken nach dem anderen zu machen. Das war ein Nachmittag…
Ich habe ein cooles Geschenk für Anna entdeckt: Einen sprechenden Bären, der bei Knopfdruck Motivationsphrasen aufsagt. Da kann sie sich immer aufheitern, wenn sie im Lernstress ist und der Kopf zu platzen droht. Sie hat in ihrer Wohnung schon einige Teddybären, aber bestimmt noch keinen wie diesen. Es hat richtig Spaß gemacht, in der Stadt herumzulotteln. Langsam verstehe ich die Leute, die sich weigern zu arbeiten.
Um bei meinem Auftritt nicht schon wieder das selbe Outfit tragen zu müssen, bin ich durch die Geschäfte getingelt. Ich habe mich mit ein paar neuen Klamotten eingedeckt. Ich werde zum coolen Typen! Das mit dem Einkaufen geht bei uns Männern einfach zu zügig, um eine Beschäftigung oder ein Zeitvertreib zu sein. Meinen Kram hatte ich nach ner guten halben Stunde beisammen. Viel zu wenig Zeit vertrödelt. Also bin ich noch durch andere Läden gestreift. Dann kam der Kaufrausch: ein paar Schuhe, eine Kette, ein Tuch.
Auf dem Rückweg ins Hotel habe ich direkt meine Verpflegung für den restlichen Abend mitgenommen. Ich merke, dass ich wirklich kein Genießer bin. Im Supermarkt gab es ein bisschen Bier, Chips. Beim letzten Stopp habe ich mir eine große Familienpizza gegönnt. Nicht die beste Idee, weil sehr unhandlich zu transportieren. Glücklicherweise ist die Haltestelle unweit vom Hotel.
Die Pizza ließ ich erstmal links liegen wie eine Gabel. Kalte Pizza ist sowieso das Beste, das es gibt. Erst die Arbeit dann das Vergnügen. Kaum im Hotel angekommen, musste ich wieder loshetzen: Verabredung mit Lars. Zeit zum Umziehen habe ich mir aber genommen. Mit neuen Klamotten hat man gleich mehr Selbstbewusstsein.
Es ist wirklich nervig, dass ich mir wegen Alex und Lars so einen Stress machen muss. Die bürden mir da mit ihrem Verrat echt was auf. Gutmütig wie ich bin, habe ich mir das aber nicht anmerken lassen. Lars wollte es ganz seriös, Kaffee trinken.
Ich rechnete damit, dass nur Lars den Anstand hat, zu kommen. Ihm wollte ich die Chance geben, sich aufrichtig bei mir zu entschuldigen. Wir könnten uns wenig Honig ums Maul zu schmieren, ewige Freundschaft schwören. Ich kam also in besten Absichten in das Cafe am Hof. Und siehe da: Wer sitzt da und zieht eine Fresse wie ein Esel beim Kauen? Richtig.
Die beiden mussten nur 15 Minuten auf mich warten, hatten sich aber trotzdem schon gesetzt und bestellt. Unhöflich. Lars war verunsichert, Alex arrogant. Kann ich auch verstehen, schließlich hatte sie die erste Schlacht gewonnen. Aber meine Kriegserklärung sollte ja erst folgen…
Ich konnte die ersten Minuten gar nicht begreifen, dass Lars so dumm sein kann. Er hat sich tatsächlich mit mir getroffen. Ich kann nicht sagen, welcher Teufel ihn geritten hat. Er musste jedoch irgendwas Ungutes vermutet haben.
Lars versuchte, die ganze Sache zu relativieren. Er sah so nervös aus, dass ich ihn beinahe in den Arm genommen hätte. Verunsichert schaute er von mir zu Alex, wollte scheinbar vermitteln und auf heile Welt machen. Seine Mimik bestand aus Zuckungen, als ob er mit seinem Gesicht einen Vortrag in Gebärdensprache hält. Dann das, was ich ohnehin erwartet habe. Lars: „Vorher lief da nichts, wir haben uns einfach angenähert, Anders.“ Ich nickte mit dem Kopf, Alex hat sich bis zu diesem Punkt ausgeschwiegen. Es war offensichtlich, dass sie nur zur Unterstützung von Lars mitgekommen ist. Es folgte viel heiße Luft. Er hat sich entschuldigt, und gemeint, dass er Verständnis hätte, würde ich mich hintergangen fühlen. Alex zerfetzte währenddessen die Bierdeckel, nachdem sie die Servietten schon zu Feinstaub verarbeitet hatte. Nach einer gewissen Zeit schaute niemand dem anderen mehr ins Gesicht, alle schauten nur noch auf den Konfettiberg.
Der ganze Vortrag ging runter wie Öl. Ich musste nicht mal mahnende Worte an das Traumpaar richten. Irgendwann stimmte Alex sogar zu, als Lars ausholte, dass sie mich nicht hintergehen wollten. Vielleicht merkte sie, was für ein linkes Spiel sie mit mir gespielt hat. Späte Einsicht. Überraschendes kam auch bei den nächsten Wortbeiträgen nicht mehr herum. Damit mein Plan aufgeht, habe ich den beiden nach einer gefühlten Ewigkeit (laut Uhr nur 30 Minuten) meinen Segen gegeben. Habe gemeint, dass ich ihre Sicht der Dinge nun verstehe. Ich bot ihnen Friede, Freude, Eierkuchen an: „Machen wir es offiziell.“ Gönnerhaft reichte ich Alex die Hand, klopfe Lars die Schulter.
Sogar Alex schien ein Stein vom Herzen gefallen zu sein, Kriegsbeil begraben. Sie hat mich angelächelt! Es war nur ein Augenblick, dann war sie die Alte. Alex: „Jetzt könnte ich einen Schnaps vertragen.“ Diese Steilvorlage nahm ich aus der Luft per Volley: „Eine Runde Schnäppschen!“ Es wurde gemütlich.
Nachdem die Backen rosa geworden sind, habe ich sie nach mittelfristigen ihren Plänen gefragt. Ich musste ein wenig Lachen, als sie von ihren Träumen erzählt haben. Der Alkohol hat die Zunge wohl zu stark gelockert. Ob das mit dem gemeinsamen Urlaub und der neuen Einrichtung etwas wird… Kam nicht so gut an. Klar, dass da eine Nachfrage von Alex kommen musste. Sie traute meiner verständnisvollen, offenen Art wohl nicht so recht über den Weg. Kein Wunder, nachdem ich sie kurz zuvor als Verräterin, die ihre gerechte Strafe noch bekommen wird, bezeichnet habe. Ich habe sie angeschaut und gemeint, dass immer alles so kommt, wie es soll. Ob es ihnen darauf Sprache verschlagen hat oder sie lediglich schweigend zustimmten, kann ich nicht sagen.
Jedenfalls musste die Stille gebrochen werden, schließlich war mir einfach zu viel herausgerutscht. Keine Zeit zum Nachdenken lassen, nicht riskieren. Was hilft: „Eine Runde Schnäppschen auf mich!“ Je mehr Promille, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie den Ausrutscher vergessen würden. Durch ein wenig Smalltalk mit der Bedienung wurde der Redefluss wieder in Gang gesetzt. Weder die Bedienung noch die beiden machen heute Abend übrigens nichts mehr, sind ziemlich kaputt. Perfekt. Ich habe zur weiteren Ablenkung von den Geschenken für Anna erzählt. Das sollte doch beweisen, dass ich über Alex weg bin. Lars: „Ach, das ist ja süß.“ Lars hat danach vorgeschlagen, dass ich Anna mal mitbringen soll, dass wir etwas zu viert machen könnten. Da bin ich mal gespannt, ob nicht eine gewisse Hexe das dritte Rad am Roller sein wird.
Nach einer guten Stunde war der Spuk beendet. Es wurde gesagt, was gesagt werden muss. Die beiden konnte ich in Sicherheit wiegen und mich dann endlich von ihnen verabschieden.
Die Verabschiedung, der wichtigste Teil. Es war höchste Aufmerksamkeit erforderlich! Ich musste eine bestimmte Reihenfolge einhalten, sonst stünde ich mit leeren Händen da. Alarmstufe Gelb: Lars wollte sich ein wenig aufdrängen. Das hätte zum Resultat gehabt, dass ich Alex zuletzt berühren müsste. Somit wäre die falsche Person im Speicher.
Ich musste spontan, aber elegant, handeln: „Ladies first.“ So ein dummer Spruch kann immer gebracht werden, ohne dass es auffällt. Also: Alex die Hand gegeben. Dann Lars umarmt, noch ein paar Worte mit auf den Weg gegeben. Ich konnte mir nicht verkneifen, Lars zu eine entspannte Nacht zu wünschen. Väterlich habe ich ihm die Wange getätschelt: „Mach es gut.“