Das Krankenhaus ist nervig. Ich verbringe zwar so wenig Zeit in meinem Krankenbett wie möglich, aber auch außerhalb von meiner Zelle ist es nicht besser. All diese Opfer, die sich durch die Gänge und Flure ziehen, sorgen nicht gerade für gute Laune.
Ich fühle mich schon wieder gut, das macht die Situation noch schlimmer. Der Arzt meinte, dass meine Heilung sehr zügig vorangeht und ich wohl bald entlassen werden kann. So soll das sein. Ich habe heute morgen schon versucht, mich selbst zu entlassen. Nicht mal auf eigene Verantwortungen ließen sie mich frei.
Die wollen bestimmt nur noch an mir und meiner Haft verdienen medizinisch notwendig ist das nicht mehr. Mir ist diese Krankenhaus-Atmosphäre zu wider. Die hübschen Schwestern, die mir Essen ans Bett bringen, sind der einzige Wermutstropfen. Aber Essen gibt es nur 3 mal am Tag. Und dann muss ich doch wieder aufstehen, etwas drängt mich, dieses traurige Krankenzimmer zu verlassen. Dann sehe ich sie wieder: Diese wehleidigen Waschlappen, die es zelebrieren Patient zu sein, ziehen meine Laune nicht in den Keller, eher in das Fass ohne Boden.
Vorhin wurde mir noch ein Zimmernachbar reingeschoben. Ganz toll, noch weniger Privatsphäre. Ein älterer Mann, der offensichtlich gerne erzählt. Der gute Mann heißt Schweinsteiner und ist Marke Frührentner. Er scheint gut Kohle zu haben, jedenfalls sieht seine Familie danach aus. In den paar Stunden, in denen wir uns nun ein Zimmer teilen wurde er schon dreimal besucht. Jeder einzelne Gast sah wie ein reicher Snob aus. Designermarken von oben bis unten. Auch die Sachen von Schweinsteiner wirken teuer. So weit man darauf von einem Jogginganzug und einer Tasche schließen kann.
Dagegen wirkte mein Kram und die Sporttasche, die obendrein Eigentum von Annas Vater ist, nur zur Leihe mein Besitz ist, richtig schäbig. Ich hatte mal so einen coolen Rucksack. Es ist überraschend, dass der Schweinsteiner für ein Privatzimmer zu geizig ist. Naja, wer ständig Geld ausgibt, wäre wohl nur kurzfristig wohlhabend. Ich habe die Hoffnung, dass es einfach Poser, in Wirklichkeit verschuldete, arme Würstchen sind.
Während er von Enkelinnen besucht wurde und sich Richtung Cafe verabschiedet hat, bekam auch ich Besuch. Die Frage, ob er mir ein Stückchen Torte mitbringen soll, war blanker Hohn. Er wollte bestimmt nur angeben, dass sein Leben so toll ist, während ich hier versauere. Der macht sich eine schöne Zeit im Krankenhaus. Und was ist mit mir? Das ist doch unfair: Der Schweinsteiner schlägt sich mit Kuchen den Bauch voll, während ich…
Auftritt Bullerei.
Diesmal waren es sogar drei von den Gesellen, wahrscheinlich hatten sie Angst vor mir und haben sich nur in überwältigender Überzahl zu mir getraut. Leute im Krankenhaus sollte man doch eigentlich behutsam befragen. Von wegen! Die Polizisten wrangen mich förmlich aus.
Statt einfach ihrer Arbeit nachzugehen, mich nach den Tätern zu fragen, die offensichtlich in einer Meute, das müssen doch 10 bis 15 Mann gewesen sein, über mich hergefallen sind, wurde ich verhört.
Die wurden richtig frech und stellten mir aufdringliche Fragen. Es fing an damit, ob ich etwas mit Drogen zu tun habe. Dann: Was ich dort so spät suchte. Schließlich: Wieso ich schwarz gekleidet war und warum ich überhaupt eine Maske dabei hatte.
So nicht, meine Freunde. Also flunkerte ich ihnen eine schöne Geschichte zusammen. Verdauungsspaziergang. Schwarz macht schlank. Abnehmen. Geld holen. Mütze, Motorradfahrt. Gruppe Jugendliche. Stark alkoholisiert. Schlag von hinten. Erzählte ich ihnen natürlich, dass ich mich gewehrt habe. Daher die Schrammen an den Fingern.
Während ich so fabulierte haben die ganz schön gestaunt. Sie tauschten untereinander Blicke aus wie Buben Sammelbilder während einer Weltmeisterschaft. Sie dachten wahrscheinlich, dass ich ihren Unglauben und/oder Bewunderung nicht bemerkte. Zurückrudern, Zeit Schwäche zu zeigen: Das Zahlenspiel war schließlich zu stark gegen mich. Nachdem der fünfte Schläger eingriff, wurde ich überwältigt. Schwarz vor Augen. Aufgewacht im Krankenhaus. An Gesichter und so was könnte ich mich nicht erinnern, fügte ich am Ende hinzu.
Das war mal ne Aussage.
Und die Uniformträger haben sich trotzdem nicht zufrieden gegeben. Jetzt waren sie dran: Bandenkriminalität. Drogenverkauf. Rache.
Ich stellte mich blöd und wiederholte meine Aussage. Danach gab es ein hin und her. Sie bohren, ich wiederholte mich. Als ich mich weigerte Anzeige gegen Unbekannt zu erstatten, wurden sie mir zu pampig.
Das Verhör konnte ich mit einem vorgetäuschten Schwächeanfall beenden. Meine liebe Krankenschwester Petra scheuchte die Bullen raus wie ein Torero. Eines muss ich dem Krankenhaus lassen: Dieser Notruf-Knopf ist Gold wert.
Wenn die mir nochmal unter die Augen kommen, schweige ich mich aus. Ich hoffe, dass ich dadurch meine Ruhe habe.