Gönnhardt: Kapitel 27

So lässt es sich leben.

Fuchs musste man in jenen Tagen sein. Sie lebten ein Leben wie Arbeitslose im wohlverdienten Urlaub. Es ging ihnen sogar noch besser. Den Hintergedanken, dass ihr Lotterleben bald vorbei sein könnte, kannten sie nicht.

Es hatte sich ein angenehmer Alltag entwickelt. Morgens kam Guido mit dem Frühstück. Nach dem gemeinsamen Schmaus teilte sich die Gruppe auf, um den jeweils eigenen Hobbys zu frönen.

Ja, die Welt meinte es in diesen Tagen gut mit unseren Füchsen. Aber man kennt die weiseste aller Weisheiten: Wo Licht, da Schatten.

Florentines gutes Aussehen war sowohl Fluch als auch Segen. Wenn sie nicht gerade von kleinen Mädchen belästigt wurde, wurde die Arme umgarnt. Als tierische Version einer Strandschönheit, badete sie standesgemäß den halben Tag in der Sonne. Und wurde dabei entweder von Kindern angestarrt oder von Reinholdt angeschnurrt. Dadurch, dass Reinholdt ihren Leibwächter mimte, konnte sie sich den anderen Füchsen gegenüber so manche Unverschämtheit leisten. Dass Schorschi aufgrund seiner Figur Einiges zu hören bekam, gehörte zum guten Ton. Ebenso offensichtlich war es, dass Bertram sich die Augen durch das Glotzen im Halbdunkeln ruinierte und man seinem Fell ansah, dass er ein Stubenhocker war. Es wagte niemand ihr Gegenworte zu geben. Reinholdt wartete nur darauf, Florentine mit seiner Männlichkeit zu imponieren.

Er ging in seiner Rolle voll auf, folgte Florentine wie ein Hund seinem Herrchen. Reinholdt war zufrieden damit, Florentines Anhängsel zu sein. Diese Lösung hatte nur Gewinner: Die anderen Füchse waren einfach froh, dass er ihnen nicht mehr ständig auf die Nerven ging. Da seine Beschäftigungen im Fuchsbau neben dem Anhimmeln von Florentine nur generelles Meckern, überproportioniertes Essen und unnötige Streitigkeiten mit Claudette waren, machte er durchaus eine positive Entwicklung durch. Dass er viel Luft nach oben hatte, kann man ja wohlwollend unter den Teppich kehren.

Unter den Teppich gekehrt wurde von Guido nicht mal mehr eine einzige Staubfluse, dafür sorgte sein Schatten. Claudette war immer auf Sauberkeit bedacht. Das riesige Schloss war ein Paradies gegen den kleinen Fuchsbau. Es gab so viel zu tun! Und wie es duftete, wenn sie mit Guido putzte. Sie liebte Glasreiniger, daher hüpfte sie vor Freude, wenn Guido Fensterwischen musste. Sie versuchte durch jede Brise zu springen. Nicht nur mit der guten Unterhaltung – so ein Freudensprung in eine Reiniger-Wolke war einfach eine Pracht – unterstützte Claudette ihren Guido. Wo sie konnte, nahm sie ihm Arbeit ab. Die beiden wurden immer mehr zum dynamischen Duo. Sogar die Mittagspause verbrachten sie gemeinsam. Und die fiel immer länger aus. Nicht weil die beiden faul waren, sondern weil das Team immer eingespielter und dadurch schneller wurde. Die Zeit verging während der Mittagspause dennoch wie im Flug. Mal ließ sich Claudette aus der Zeitung vorlesen, mal spielten sie verstecken, mal plapperte Claudette irgendwelche Informationen nach, die sie von Bertram hatte.

Wenn Bertram seinen Augen eine Pause gönnte, versuchte er Konversation zu betreiben. Er schlich dann zu dem Fuchs, der in diesem Augenblick im ruhigsten Eckchen war, und brachte diesen auf den Stand der Dinge. Er zitierte mit Vorliebe Nachrichtensprecher. Wenn es keine Neuigkeiten gab, erzählte Bertram von einer der unzähligen Dokumentationen, die er seit der letzten Unterhaltung geschaut hatte. Seine Predigten hielt er mit geschlossenen Augen. Er sah aus wie ein Priester, der gerade einen Vers zum tausendsten mal herunter leierte.

Schorschi war noch geduldiger als früher. Er hatte die Gewissheit satt ins Bett zu gehen und direkt nach dem Aufstehen satt zu werden. Das Menschenleben war einfach klasse, es war so einfach an Essen zu gelangen. Alle Menschen hatten immer Essen dabei. Pausenbrote, Müsliriegel, Butterbrezeln, Schokoladentafeln, Obststücke – so verschieden wie die Persönlichkeiten der Gäste war deren Proviant. Schorschi liebte es, besucht zu werden. Es hatte sich herumgesprochen, dass er sich mit Fressalien bestechen ließ. Er lag viel, oft und gerne im Gras und ließ sich streicheln. Natürlich gegen Entlohnung. Wenn er davor aus ihnen mit Süßkram gefüttert wurde, störten ihn selbst klebrige Hände nicht. Er empfand es zwar als unaufrichtig, so zu tun, als hätte er den ganzen Tag genau auf diesen Besucher gewartet. Aber das war scheinbar notwendig, um an Leckerli zu kommen. Sein indianischer Name wäre wohl Der mit dem vollen Mund lacht.

Die Pfunde, die sich Schorschi drauf packte, verlor Gönnhardt. Der war nämlich fleißig: Gönnhardt machte jeden Morgen vor dem Frühstück Sport im Schlossgarten. Er drehte seine Runden durch den Park und genoss die Stille. Außer einer Yogagruppe, zu der an 6 Tagen der Woche niemand außer dem Yogalehrer gehörte, war zu Gönnhardts Sportstunde meistens keine Menschenseele in Sicht. Er weckte die Enten auf, meckerte die Schwäne an, vertrieb die Krähen und sah den Eichhörnchen nach. Der Auslauf tat ihm gut. Er war bitter nötig, um nicht zu Schorschis Zwilling zu werden. Seinen Käsepizzakonsum hatte er zwar heruntergefahren, nachdem er erfahren hatte, wie dick Doppelkäse-Vierkäse macht. Selbstredend gab es diese Pizza aber immer noch jeden Tag zum Abendessen.

Nach seiner Bewegung war er so gut gelaunt, dass ihn nicht mal seine Mitbewohner aufregen konnten. Es machte ihm einfach Spaß, speziell die süßen Enten zu ärgern. Die armen Schwimmvögel hatten bestimmt jeden Mittag Muskelkater in ihren Flügeln. Gönnhardt war nicht nur Ententrainer, er war auch Entertainer. Gönnhardt wechselte die Szenen wie ein Hauptdarsteller die Sets beim Filmdreh. Er schaffte es, für jeden der Füchse Zeit zu haben. Mal schaute er Fernseher mit Bertram, mal schnupperte er Reinigungsmittel mit Claudette, dann ließ er sich von Schorschi in die hohe Kunst der Kombinationen einweisen. Den Verdauungsschlaf konnte er beim Sonnen mit Florentine machen. Natürlich in dem angemessenen Sicherheitsabstand, den Reinholdt ihm empfahl.

Bei der schwersten Rolle, in die er zu schlüpfen hatte, war der schwarze Hut sein Erkennungszeichen. Wie alle anderen Füchse zog auch er seine Kopfbedeckung auf, wenn er unter Menschen kam. Der Unterschied war, dass der Fuchs mit dem schwarzen Hut nicht gestreichelt und gefüttert wurde. Er saß am Verhandlungstisch, er beantwortete Anfragen, er traf Entscheidungen und nahm Termine wahr. Alle Füchse kamen den ausgehandelten Verpflichtungen nach. An fast jedem Abend wurde beispielsweise geladener Besuch empfangen.

Aber auch unangekündigte Karlsruher kamen in den Schlossgarten, sahen, knipsten und gingen mit leeren Händen. Denn es wurden ordentlich Mitbringsel verteilt. Die hübsche Florentine war zwar eindeutig der Publikumsliebling, doch jeder Fuchs wurde mit Geschenken beglückt. Es verging in den ersten Wochen kein Tag, an dem nicht mindestens drei Kinder mit selbstgemalten Bildern und/oder selbstgebastelten Figuren angerannt kamen.

Es war aber nicht so, als würden sich die Füchse nur bedienen lassen. Sie lernten auch dazu. Zum Beispiel in Sachen Mülltennung. Seit einem Anpfiff von Gönnhardt, währenddessen er Anne mehrfach nachäffte, warfen die anderen Tiere ihren Abfall nicht mehr einfach auf den Boden. Unerwünschtes Papier und ungewollte Pappe landeten fachgerecht im Mülleimer. Dieser Mülleimer quillte jeden Abend mit Kartonfüchsen und Zeichnungen über. So taten die Füchse indirekt eine gute Tat. Aus den weggeworfenen Kinderkunstwerken, die bei den Altpapiersammlungen von gemeinnützigen Vereinen mitgenommen wurden, entstand bestimmt Recyclingpapier.

Hoffen wir mal, dass es nicht für neue unerwünschte, ausgefuchste Geschenke verschwendet wird.

***

Dieses Kapitel ist ein Teil des Buches Gönnhardt: Füchse, Kriege, Flüchtlingskrise. Ich hoffe, dass dir die Kostprobe gefallen hat. Ich denke allerdings, dass es mehr Spaß macht, wenn man das Buch als Komplettpaket liest. Was dich trennt? Die Bestellung. Keine Sorge: Falls du das Buch kaufen möchtest, musst du nicht viel Geld ausgeben.

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