Druck: Teil 13

Jetzt üben wir, liebe Kinder!

Beispielsweise: normalweise würdest du vor dem Kaufhaus warten, nur um dem ungepflegten Typen die Tür aufzuhalten. In den 18 Sekunden deiner Wartezeit würdigt dich der gute Herr natürlich keines Blickes. So ein Penner. Du wolltest hilfsbereit sein, bist aber noch gestresster als vorher. Heute kann dich so einer mal. Sein Leben wird durch deine Knechtschaft nicht besser oder schlechter. Wenn du unbeirrt und stur deinen Weg gehst, bekommst du wahrscheinlich kein Gesellenbrief der Poirtier-Innung. Du warst aber endlich mal eigensinnig. Gratulation! Das will nämlich auch geübt werden.

Im nächsten Schritt lässt du dann die nörgelnde Tusse an der Kasse nicht vor, die kann dich mal. Die hat auch nur zwei Teile weniger. Wer wegen dem Mist, den sie zwischen die knochigen Finger geklemmt hat, in den Supermarkt geht, kann es gar nicht eilig haben. Sie ist sicher keine Ärztin, die mit der Flasche Sekt und dem Knabbermix zur Notaufnahme hetzen wird. Deine Antwort auf die Frage, ob sie vor darf, ist ein Kopfschütteln. Dein Herz pocht, du wirst sogar rot, aber du hast duch überwunden und es gut gemacht. Wieder eine Übung geschafft. Da werden Glücksgefühle frei, dass du den ganzen Heimweg stolz bist. So baust du das Gefühl auf, dass du auch die erste Geige spielen kannst.

Am nächsten Freitagnachmittag schaffst du es vielleicht schon, deiner Schnarchnase von Kollege zu sagen, dass er seinen Mist alleine machen soll. Der soll mal die Woche über nicht so trödeln, dann muss er seine Arbeit auch nicht auf dich abwälzen. Das hat sich gesalzen, ist trotzdem unnötig wie ein Kropf: fremde Aufgabe genau vor dem Wochenende, obwohl du deine Arbeit schon erledigt hast. Früher hättest du dich da kollegial verhalten, wie das die Leute, die immer nur nehmen gerne nennen. Diesmal nicht. Entweder du sagt klar Nein. Oder du benutzt eine Notlüge: Termine, Termine, Termine. Der kann dich mal, und du pünktlich in dein Wochenende starten. Das hast du dir an jedem einzelnen Werktag wohlverdient. Wenn du aus der Tür raus bist, wirst du überraschenderweise so gar kein schlechtes Gewissen haben, sondern Schadenfreude. Selbst schuld, schönen Abend noch.

Es gibt natürlich noch viel mehr, noch ganz andere Situationen, in denen du dich beugst wie ein Knie, obwohl du mit einer anderen Einstellung viel leichter fahren würdest. Denk vor jeder Zusage daran: Deine Zeit ist wertvoller als die der anderen. Die könnten ihre Zeit nämlich auch ganz einfach besser einteilen, dann müssten sie deine nicht verschwenden. .

Eigensinn ist schwer. Doch unabdinglich, wenn du weniger Stress in deinem Leben willst.

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