18. Dezember, 9 Uhr 57

Da habe ich frei und wache trotzdem so früh auf. Das ist pure Verschwendung.

Wann genau ich gestern beziehungsweise heute geschlafen bin, kann ich nicht genau sagen. Ich habe irgendwann Videos geschaut, bin letztendlich bei Dokumentationen über Straßenschlachten gelandet. Das Internet und seine Videos sind der beste Zeitvertreib.

An Details kann ich mich nicht erinnern. Kein Wunder: Gesoffen habe ich reichlich, das sehe ich. Die Lieferung vom Pizzaboten ist leer: 10 Flaschen stehen vor mir. Da war es doch gut, dass es nur die Kinderportionen von 0,33 Liter waren.

Nach einem Abend im Vollrausch ist es immer beängstigend, das Handy zu checken. Die Spurensuche nach dem Blackout beginnt mit einem Blick auf die gewählten Nummern und verschickten Nachrichten. Die Schritte nachzuvollziehen ist wohl Gottes Strafe für den Abend im Überfluss. Peinlich, was ich da in regelmäßiger Regelmäßigkeit zu lesen bekomme. Es sind kleine Puzzlestücke, durch die sich ein Bild von der Nacht zusammensetzt.

Mittlerweile habe ich alles so gut wie möglich rekonstruiert, bin auf dem Stand der Dinge. Denke ich jedenfalls. Fangen wir mal an: Ein paar E-Mails habe ich zwischen 23 Uhr und 23 Uhr 42 verschickt. Das sind aber allesamt nette Texte. Wir könnten mal wieder was machen. Bin über Weihnachten in Bremen, könnte dich auf ein Bier einladen. Die Mails gingen an 4 Freunde. Allesamt Kopieren & Einfügen. Richtig herzlich… nicht. Ich war, als ich drauf war, noch geistesgegenwärtig genug, um meine Familie zu verschonen.

Nur kurze Freude: Das eigentliche Drama hat sich nämlich auf meinem Handy abgespielt. Tim habe ich gegen 0 Uhr angerufen – vergeblich. Daher auch eine Mail geschickt: Danke, dass du dich totstellst, du Verräter. Ist das der Dank für das Geld? Geantwortet hat er morgens um 7 Uhr 12: War nicht in Stimmung. Nichts für ungut, sei mir nicht böse. Auf diese Mail habe ich wiederum noch nicht geantwortet. Falls ich es noch mache, werde ich versöhnliche Töne anstimmen.

Johnny habe ich nicht mehr angerufen. Nur eine Mail: Hey Johnny, wie sieht es aus? Willst du heute noch auf Tour? Das war um 1 Uhr 27, also war ich noch in Ausgehstimmung. Auf meine Nachfrage, wo er sei, hat er nicht geantwortet, dieser Penner. War aber besser so. Ich war sicher in nicht in der Verfassung noch wegzugehen. Da hätte ich viel zu viel Geld ausgegeben. Mein Magen hat sich bei der letzten Entdeckung zusammengezogen.

1 Uhr 12: Bist du noch wach? Keine Antwort.
1 Uhr 37:
Ich könnte noch kommen. Keine Antwort.
1 Uhr 23: Anruf. Nicht abgenommen.
2 Uhr 5: Anruf. Gesprächsdauer 2 Minuten 24. Ich habe keine Ahnung, was ich mit Anna geredet habe.
2 Uhr 31: Anruf. Nicht abgenommen.
2 Uhr 33: Antwort:
Ich muss morgen früh raus. Lange Fahrt vor mir. Lass mich bitte schlafen, Anders.

Und das war dann auch der letzte Hinweis auf den Verlauf der Nacht, alles weitere bleibt schwarz.